© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/21 / 29. Januar 2021

Verfassungsschutz und AfD
Am Rande einer Blamage
Dieter Stein

Inzwischen stemmt sich die AfD endlich juristisch mit aller Kraft gegen die heraufziehende Beobachtung der Gesamtpartei durch den Verfassungsschutz. Noch bis in den Herbst war die Abwehr halbherzig und unkoordiniert betrieben worden. Für diese Woche war – laut aus dem Innenministerium durchgesickerten Informationen – damit gerechnet worden, daß der Verfassungsschutz die AfD bundesweit vom „Prüf-“ auf den „Verdachtsfall“ heraufstuft und sich damit die Schlinge insbesondere für Staatsbedienstete in der Partei immer enger um den Hals schließen würde.

Zwei in der vergangenen Woche vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereichte Klagen der AfD einschließlich Eilanträgen scheinen das Vorhaben des Innenministeriums bereits wieder gebremst zu haben. Schon warnen selbst AfD-kritische Beobachter vor einem Debakel für den Verfassungsschutz. Ein intimer linker Kenner der Materie orakelt im Tagesspiegel, das ganze Verfahren werde mutmaßlich noch einmal geschoben: „Juristisch gesehen dürfte die AfD ein Grenzfall sein“, beschreibt er das auf rechtlich wackeligen Füßen stehende Vorhaben. Wenn Bundesinnenminister Seehofer und Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang länger brauchten, dann sei das eben so: „Und besser als eine große Blamage.“

Das Rennen ist somit offen – entgegen defätistischer Aussagen von Vertretern des Rechtsaußen-„Flügels“ der AfD, die Beobachtung und damit Ächtung der Partei sei sowieso nicht zu verhindern und es sei also Wurst, wie man sich verhalte. Demgegenüber sind der AfD unter Führung ihres Parteichefs Jörg Meuthen wichtige Kurskorrekturen gelungen: Der Rauswurf des „Flügel“-Frontmanns Andreas Kalbitz vor einem Jahr war entscheidender Auftakt für die notwendige Remedur. Das „Flügel“-Netzwerk ist seit diesem Schlag kopflos. 

Meuthens Brandrede Ende November auf dem Parteitag in Kalkar rammte weitere Pflöcke ein für eine Politik der Vernunft gegen eine schleichende Radikalisierung. Zwei Grundsatzerklärungen untermauerten die Positionsklärung auch zur Abwehr der repressiven Verfassungsschutzdrohung: Jene zur demokratischen Grundordnung aus Anlaß des Parteitages, die AfD-Problembär Höcke dann selbstentlarvend als „ängstliches Bekenntnis“ verhöhnte, und Anfang Januar eine „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“, mit der die AfD unmißverständlich – im Kontrast zu diversen „Flügel“-Äußerungen – klarstellte, sich in diesem entscheidenden Punkt nicht gegen geltendes Recht zu stellen.

Die Wahl von Armin Laschet zum CDU-Chef zeigt erneut die weit geöffnete konservative Flanke der Union. In die Lücke könnte die AfD viel stärker stoßen – wenn sie die maßlose gesellschaftliche Repression gekonnt juristisch und inhaltlich pariert und endlich im Auftreten ihrer Repräsentanten auf allen Ebenen wieder mehr Sympathien gewinnt.