© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/21 / 29. Januar 2021

Der Alltag kehrt zurück
USA: Präsident Bidens Verfügungen sorgen nicht nur für Freudenstürme
Thorsten Brückner

Die Tage nach dem Amtsantritt einer neuen Regierung in Wa-shington sind immer die Zeit der präsidentiellen Erlasse (Executive Orders). Darunter gibt es die wiederkehrenden Klassiker wie die „Mexico City Policy“, die Nichtregierungsorganisationen von Bundesmitteln ausschließt, wenn diese irgendwo auf der Welt am Abtreibungsgeschäft beteiligt sind. 

Seit 1984, als Präsident Ronald Reagan diese Verordnung erstmals erlassen hat, wurde sie von neuen demokratischen Präsidenten genauso zuverlässig außer Kraft gesetzt wie von neu ins Amt kommenden republikanischen Präsidenten wieder eingesetzt. Diesmal spielt die „Mexico City Policy“ hingegen eine untergeordnete Rolle. Auch für Präsident Joe Biden hatte sie erkennbar keine Priorität. Dafür lassen andere Erlasse die Wellen höher schlagen und die Gemüter von Konservativen erhitzen.

Irritationen beim Thema Maskenpflicht

Sprach Biden noch im Wahlkampf von einer nationalen Maskenpflicht, so hat er sich inzwischen offenbar von juristischen Beratern belehren lassen müssen, daß er dazu überhaupt keine Befugnisse hat. Stattdessen verfügte er eine Maskenpflicht in Bundesgebäuden, auf Flughäfen, in Flugzeugen, Zügen und Reisebussen, die über Bundesstaatengrenzen hinweg operieren. Republikaner laufen dagegen Sturm. 

Die neugewählte Abgeordnete aus Colorado, Lauren Boebert, hat einen Gesetzesentwurf ins Repräsentantenhaus eingebracht, der Bidens Maskenpflicht aufheben soll. Zwar hat sie dafür bereits namhafte Unterstützer aus der eigenen Partei gefunden, allerdings ist es unwahrscheinlich, daß sie für ihr Vorhaben eine Mehrheit findet. Boebert warf Biden Heuchelei vor, da er am Tage seiner Amtseinführung bei einem Besuch des Lincoln Memorials keine Maske getragen habe. „Pflicht für euch, aber nicht für mich“, spottete Boebert. Biden hatte das Maskentragen zuvor einen „patriotischen Akt“ genannt, der „unzählige Leben retten“ könne. Zudem machte Biden den unter Präsident Donald Trump erfolgten Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation WHO rückgängig und kündigte eine verstärkte Zusammenarbeit mit ihr an.

 Ebenfalls auf scharfe Kritik stößt Bidens Verfügung, für zunächst zwei Monate keine neuen Genehmigungen für Gas- und Ölförderungen auf Bundesland zu erteilen. Dazu paßt auch der Wiederbeitritt zum Pariser Klimaabkommen, aus dem sich Trump kurz nach Amtsantritt zurückgezogen hatte. 

Ex-Außenminister John Kerry, der maßgeblich an der Aushandlung beteiligt war, wird neuer Klimabeauftragter des Präsidenten. Darüber hinaus planen die Demokraten ein Ausgabenpaket für den Klimaschutz in Höhe von zwei Billionen Dollar. Das damit verbundene Ziel ist eine ausgeglichene Emmissionsbilanz bis zum Jahr 2050. Das endgültige Aus droht damit auch der Keystone Pipeline, die Öl aus Kanada zu Raffinerien in den USA transportieren sollte. Trump hatte das Projekt 2017 genehmigt. Baubeginn war für 2023 geplant. Selbst Bidens progressiver Buddy Justin Trudeau nannte den Schritt eine „Enttäuschung“.  

 Weniger kontrovers bei der eigenen Basis dürften dagegen Verfügungen im Bereich der Einwanderungspolitik sein, wo Biden bereits in den ersten Tagen zahlreiche von Trumps Maßnahmen rückgängig machte. Darunter fällt auch der Stopp von Trumps Prestigeprojekt, dem Bau eines Sperrwalls an der amerikanischen Südgrenze. Während ihm dafür die Zustimmung seiner Partei gewiß ist, spalten manche seiner Personalentscheidungen die amerikanische Linke.

 Besonders gegen die Nominierung von Tom Vilsack als Landwirtschaftsminister regt sich starker Protest. Vilsack, den progressive Gruppen wie „Food&Water Watch“ und die „Progressive Democrats of America“ gerne als „Mr. Monsanto“ bezeichnen, hatte den Kabinettsposten bereits acht Jahre unter Präsident Barack Obama inne.

Unzufriedenheit der linken Demokraten steigt 

Biden nannte ihn „den besten Landwirtschaftsminister, den die USA je hatten“. Konkret werfen dem früheren Gouverneur von Iowa linke Demokraten vor, die Zulassunsgprozesse für genetisch modifizierte Agrarprodukte beschleunigt und das Monopol der Fleischindustrie über kleine Farmer gestärkt zu haben. „Amerika braucht einen Landwirtschaftsminister, der nachhaltige Familienbetriebe und nationale Lebensmittelsicherheit über Profitinteressen von Großunternehmen stellt“, sagte die Geschäftsführerin von „Food&Water Watch“, Wenonah Hauter, die zusammen mit anderen Organisationen eine Kampagne gegen Vilsack gestartet hat, mit dem Ziel, seine Bestätigung im Senat zu verhindern.

Auch am künftigen Außenminister Anthony Blinken werden linke Demokraten wenig Freude haben. Doch auch von Republikanern kommt Kritik. Blinken habe „jeden der endlosen Kriege seit der Irak-Invasion unterstützt“, warf ihm Senator Josh Hawley aus Missouri vor. Der in Frankreich aufgewachsene und fließend Französisch sprechende Blinken war bereits Bidens Nationaler Sicherheitsberater, als dieser noch Vizepräsident unter Obama war, später stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater unter Obama. Blinken gilt als großer Unterstützer Israels und hat bereits angekündigt, die unter Präsident Trump nach Jerusalem verlegte US-Botschaft nicht wieder zurück nach Tel Aviv zu holen.

 Die frühere Chefin der US-Notenbank, Janet Yellen, wird neue Finanzministerin. Mit nur 15 Gegenstimmen hat sie der Senat bereits bestätigt. Ein noch besseres Ergebnis erhielt der künftige Verteidigungsminister Lloyd Austin. Nur zwei Senatoren votierten gegen den Vier-Sterne-General, der nur dank einer Ausnahmegenehmigung des Kongresses sein Amt überhaupt antreten kann, da er die obligatorische siebenjährige Wartezeit seit seinem Ausscheiden aus dem Militär noch nicht vollendet hat. 

 Damit die neuen Minister so bald wie möglich vom Senat bestätigt werden können, haben die Demokraten sogar ihrem Erzfeind Donald Trump eine Verschnaufpause gewährt. Erst ab dem 9. Februar soll der Senat nach dem Willen von Mehrheitsführer Chuck Schumer das Amtsenthebungsverfahren gegen den ehemaligen Amtsinhaber diskutieren. Trump kann diesem Datum gelassen entgegensehen. 

Der innerparteiliche Widerstand gegen die zehn Republikaner, die im Repräsentantenhaus für das Impeachment gestimmt haben, war immens. Immer mehr Senatoren der Republikaner, die sich anfänglich offen für eine nachträgliche Amtsenthebung gezeigt haben, sind mittlerweile wieder zurückgerudert. Bisher hat nur Mitt Romney, der schon beim ersten Prozeß vor einem Jahr gegen Trump votiert hat, seine Unterstützung für die Amtsenthebung bekundet.