© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/21 / 29. Januar 2021

„Potential für mehr“
Autoindustrie: Die deutsche Vorzeigebranche zwischen China, Corona und CO2-Phobie / E-Mobilität wird teuer
Albrecht Rothacher

Absatzeinbruch wegen Corona, vom Bundesgerichtshof in Sachen „Dieselgate“ verurteilt, technische Peinlichkeiten beim Volumenmodell Golf 8 und dem teuren E-Auto ID.3, Fehler und Streit im Management – das vergangene Jahr war nicht leicht für die Volkswagen AG, den mit weltweit etwa 670.000 Beschäftigten und 125 Produktionsstandorten größten industriellen Arbeitgeber Deutschlands.

Dennoch blieb der Wolfsburger Konzern mit seinen zwölf Marken – von Audi über MAN bis VW – auch im Pandemiejahr 2020 mit 9,3 Millionen Fahrzeugen der weltgrößte Autohersteller. Der Absatz ging zwar um 14,5 Prozent zurück, doch auch die japanische Toyota-Gruppe mußte Federn lassen: Der Absatz der Japaner ging um zwölf Prozent auf 8,90 Millionen zurück. Den dritten Platz belegte die Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz mit 7,95 Millionen verkauften Einheiten – trotz eines Absatzeinbruchs von 20,5 Prozent.

Der koreanische Hyundai-Kia-Konzern kam mit 6,5 Millionen Fahrzeugen (minus 10,4 Prozent) auf Platz vier. Die frühere Opel-Mutter General Motors kam mit 6,26 Millionen Einheiten (minus 13,2 Prozent) auf Rang fünf. Daimler erreicht mit abgesetzten 2,55 Millionen Fahrzeugen (minus 12,2 Prozent) global Platz zehn. Dafür war aber die Mercedes-E-Klasse mit 330.459 Exemplaren das weltweit meistverkaufte Auto der oberen Mittelklasse. Der BMW 5er wurde hingegen nur 254.80mal und der Audi A6 221.852mal abgesetzt. Das viel teurere Tesla Model S fand lediglich 28.324 Käufer.

Mercedes E-Klasse und VW Polo auf Spitzenniveau

In der Kompaktklasse lag der Toyota Corolla unangefochten mit 1,12 Millionen an der Spitze, bei den großen Pickups die Ford F-Serie (968.179), bei den SUV der Toyota RAV4 (958.824). Nur bei den in Europa gefragten Kleinwagen konnte VW mit dem Polo (426.565) das Siegertreppchen erklimmen. Und ohne den Hoffnungsmarkt China wären die deutschen Autobauer 2020 noch viel dramatischer abgestürzt. Etwa 40 Prozent aller deutschen Pkws werden bereits im Reich der Mitte verkauft, das mit 400 Millionen kaufkräftigen statussymbolhungrigen Mittelschichtlern vor den USA der größte Fahrzeugmarkt der Welt geworden ist.

2020 wurden dort 19,8 Millionen Pkws abgesetzt – das waren trotz des „chinesischen Virus“ (Donald Trump) nur 6,1 Prozent weniger als im Vorjahr. In den USA waren es 12,8 Millionen (minus 16,8 Prozent), in der EU weniger als zwölf Millionen, weil der Absatz sogar um 24,3 Prozent einbrach. Allerdings setzt die chinesische Führung seit 2008 auf E-Mobilität. Bei den Wachstumszielen, die der Fünf-Jahr-Plan 2021–2025 und die Langfristplanung bis 2035 vorgeben, spielen E-Autos – neben Hochgeschwindigkeitszügen, AKWs, der Raumfahrt, Biotech und dem IT-Sektor – eine prominente Rolle.

Bis 2025 sollen 15 Prozent der dortigen Fahrzeuge „alternative“ Antriebe haben. Bis 2030 sollen es 40 bis 50 Prozent sein. Derzeit gibt es 4,5 Millionen E-Autos, jährlich werden es etwa 400.000 mehr. Für sie gibt es eine halbe Million Ladestationen – also eine für neun Fahrzeuge. Shenzhen, die 12,5-MillionenMetropole nahe Hongkong, die vor 40 Jahren noch eine schläfrige ländliche Volkskommune war und 1980 erste Sonderwirtschaftszone wurde, ist eine der „e-mobilen“ Pilotstädte. Dort fahren jetzt alle Taxis und alle 15.000 Busse mit E-Antrieben – nicht per Oberleitung wohlgemerkt, sondern per Batterie.

Zwangsinvestitionen in Batteriefabriken

Hier liegt auch die Zentrale des Mischkonzerns BYD, der mit einem Anteil von 13 Prozent Weltmarktführer für E-Fahrzeuge ist. Wettbewerber sind Dongfeng und Geely, jener Konzern, der 2010 Volvo Cars von Ford kaufte und 9,7 Prozent der Daimler-Aktien kontrolliert. Ab 2024 wollen Geely, Mercedes und Volvo gemeinsam Drei- und Vier-Zylinder-Benzinmotoren für Hybrid-Pkws bauen – nicht mehr allein in Europa, sondern vor allem in China. Und der schwedische Daimler-Chef Ola Källenius sieht „Potential für mehr“.

Die staatlichen Subventionen für chinesische E-Autohersteller belaufen sich seit einem Jahrzehnt auf eine Milliarde Euro jährlich, zudem wird die Ladeinfrastruktur finanziert. Wie anfangs in Norwegen sind E-Autos von der hohen Zulassungs- und Kfz-Steuer befreit. Nebenbei wurde China auch bei E-Fahrrädern und den von EU-Politikern vergötterten „E-Scootern“ Weltmarktführer. Daß zwei Drittel des chinesischen Stroms aus Kohlekraftwerken und fünf Prozent aus AKW stammt, stört wenig. Immerhin ist die Luft in Shenzhen besser als in anderen Industriezentren.

Der seit 1984 in China aktiven deutschen Automobilindustrie wurden nebenbei die Daumenschrauben angezogen. VW wurde gezwungen, ein betriebswirtschaftlich fragwürdiges Zweigwerk in dem von muslimischen Uiguren besiedelten Ostturkestan (Xinxiang) zu errichten. Zudem muß VW zwei Milliarden Euro in die dortige E-Mobilität investieren: Der Anteil am Gemeinschaftsunternehmen JAC wird von 50 auf 75 Prozent aufgestockt. Zudem wird eine Batteriefirma gekauft.

Die deutsche und die EU-Politik ist nicht viel besser: So sollen die CO2-Emissionen der Fahrzeugflotte bis 2030 nochmals um 40 Prozent sinken – ohne teure Hybride ist das nicht zu machen. Die Bundesregierung verlangt einen E-Auto-Bestand von etwa fünf Millionen, von denen derzeit gerade einmal 250.000 als Zweit- und Drittwagen für den Stadtverkehr verkauft wurden – und dies trotz einer Kaufsubvention von 9.000 Euro pro Auto. Ob das künftig atom- und kohlefreie Wind- und Sonnenstromnetz Deutschlands das leisten kann? In Dunkelflauten dann russisches oder amerikanisches Erdgas in Kraftwerken zu verbrennen, statt gleich in einem angepaßten Benzinmotor, ist dann nur noch ein trauriger Treppenwitz der deutschen Energie- und Industriegeschichte.

Daß mit einer solchen Politik ein Großteil der 3,7 Millionen Beschäftigten der traditionellen Autoindustrie Europas um ihren Arbeitsplatz fürchten muß, ist unvermeidlich. China kontrolliert etwa 80 Prozent der Weltproduktion von Lithium-Ionen-Zellen, also jener Technologie, die den hohen Preis der E-Autos verursacht. SK, Samsung und LG in Südkorea oder Panasonic in Japan sind mit der eigenen Fahrzeugherstellung ausgelastet. Auch hinter der im Bau befindlichen Batteriefabrik in Erfurt steckt mit CATL eine chinesische Firma. Und für die im nordschwedischen Skellefteå und in Salzgitter geplante Batterieproduktion von Northvolt sind milliardenschwere Unterstützungen durch die Steuerzahler fest eingeplant.

 vda.de

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