© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/21 / 29. Januar 2021

Die BBC soll neutraler werden
Neuer Vorsitzender wird der konservative Ex-Banker Richard Sharp / Rundfunkgebühr bleibt vorerst
Julian Schneider

Eine Revolution wird es in der British Broadcasting Corporation (BBC) nun wohl nicht geben. Eher sieht es nach behutsamen Reformen aus. Statt eines konservativen Feuerkopfs wie dem früheren Telegraph-Chefredakteur Charles Moore, der im Gespräch war (JF 42/20), wird ein weniger radikalkritischer Kopf neuer BBC-Vorsitzender. Richard Sharp, ein früherer Banker und Tory-Großspender, wird im Februar den Chairman-Posten des fast hundert Jahre alten Rundfunkriesen übernehmen. Das hat die Regierung nach einem Ausschreibungsverfahren bekanntgegeben. Der Chairman ist eine Art Aufsichtsratschef und leitet den 14köpfigen Rundfunkrat. Die operative BBC-Leitung hat Generaldirektor Tim Davie inne.

Die von manchem erhoffte Revolution – Boris Johsons geschaßter Chefberater Dominic Cummings hatte radikale Änderungen und Verschlankungskuren geplant (JF 10/20) – fällt damit aus. Das BBC-Establishment mit mehr als 20.000 Angestellten kann aufatmen, auch wenn Kultusminister Oliver Dowden „beschleunigte Reformen“ von Sharp und Davie fordert. Der neue Chairman freut sich auf die Aufgabe. „Die BBC steht im Zentrum des britischen kulturellen Lebens, und ich fühle mich geehrt, daß mir die Chance geboten wurde zu helfen, sie durch das nächste Kapitel in ihrer Geschichte zu führen“, sagte Sharp kurz nach seiner Ernennung.

Journalisten belegen „Unparteilichkeitskurse“

Die Finanzierung über eine Rundfunkgebühr von 157,50 Pfund (umgerechnet 176 Euro) will er jedoch beibehalten. Die Gebühreneinnahmen sind allerdings etwas gesunken auf 3,5 Milliarden Pfund (3,8 Milliarden Euro)  – was nicht mal halb soviel ist wie das Zwangsgebührenbudget von ARD und ZDF. Sharp hat in ersten Interviews verneint, daß die BBC insgesamt eine linke Schlagseite habe – im Englischen ist von „Bias“, politischer Voreingenommenheit die Rede. Aber auch er findet, daß einige Talkprogramme wie „Question Time“ über den Brexit doch recht einseitig besetzt gewesen seien. 

Kritisch sieht er auch manches fiktive Politdrama, das die Mitglieder der Konservativen Partei allesamt als korrupt und schmierig darstellte. Die Forderungen aus den Reihen der Tories nach einem streamingähnlichen Abomodell, in dem jeder Bürger frei entscheiden kann, ob er die BBC-Angebote schauen und zahlen möchte, werden daher nicht verstummen. 

Der 64jährige Sharp, der bei Goldman Sachs als Investmentbanker Karriere gemacht und Millionen verdient hat, gilt als langjähriger Förderer von Kunst- und Musikinstitutionen sowie als Mentor des britischen Finanzministers Rishi Sunak (zuvor ebenfalls bei Goldman Sachs tätig). Und er ist konservativ-marktwirtschaftlichen Think-Tanks wie dem Centre for Policy Studies verbunden. Das CPS hatte in einigen Studien auch für tiefgreifende Reformen und eine Abschaffung der Gebühr für die BBC plädiert, die einseitig links sei. Anders als einige BBC-Journalisten ist Sharp, der jüdische Vorfahren hat, nicht anti-israelisch eingestellt. Er hat auch der Quilliam-Denkfabrik gespendet, die sich gegen islamistischen Extremismus einsetzt und in manchen Muslim-Kreisen verhaßt ist.

Unangenehm dürfte für manche linke BBC-Journalisten werden, daß Direktor Davie die Zügel enger anzieht und der BBC einen strikten „Neutralitätskurs“ verordnet. Die öffentlich bezahlten Mitarbeiter sollen künftig auch auf Twitter nicht mehr ihre politische – meist „progressive“ – Privatmeinung heraustrompeten; dazu müssen sie „Unparteilichkeitskurse“ belegen. 

In Deutschland, wo nicht wenige mit Zwangsgebühren finanzierte Mitarbeiter von ARD und ZDF hemmungslos wie grün-linke Politagitatoren unterwegs sind, mag das wie ein Traum klingen.

Unter Druck steht die BBC nicht nur, weil ihr von konservativen Zuschauern und Politikern eine linke Tendenz vorgeworfen wird, sondern weil sie künftig sparen muß. Bis zu ein Fünftel des Programms müsse man kürzen, hat Davie angekündigt. 

Und noch etwas kommt hinzu: neue konservative Wettbewerber. Bald geht der neugegründete Sender GB News an den Start, mit dem bekannten Ex-BBC-Journalisten Andrew Neil an der Spitze, dessen hart-kritische Interviews legendär sind. Mit dabei ist die beliebte rechts-nonkonformistische Radiomoderatorin Julia Hartley-Brewer. GB News konnte soeben von Geldgebern 60 Millionen Pfund Startkapital einsammeln. Labour-nahe Kreise sind schon in heller Aufregung, daß ein britisches „Fox News“ entstehen könnte. 

Rupert Murdoch selbst plant einen zweiten konservativen Sender mit Namen News UK. Auf der Insel wird damit mehr nicht-linke Medienvielfalt wahrscheinlich.