Wir leben in einer Zeit eines historischen Umbruchs. Spätestens seit Erscheinen der erfolgreichen, aber als geschichtsrevisionistisch verketzerten Werke Christopher Clarks „Die Schlafwandler“, Herfried Münklers „Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918“ und Wolfgang Effenbergers/Willy Wimmers „Die Rückkehr der Hasardeure“ konnte der Blick dafür geschärft werden, daß einige der bis in die Gegenwart hineinwirkenden historischen Ereignisse, vor allem die Ursachen des Ersten Weltkrieges, nicht so gewesen sein können, wie es von offizieller Seite diktiert wird.

Das „Schwarzbuch EU & Nato. Warum die Welt keinen Frieden findet“ bringt die aktuellen globalen gesellschaftlichen Veränderungen unseres kulturellen, sozialen und politischen Zusammenlebens in eine Verbindung mit den derzeitigen Macht- und Herrschaftsverhältnissen, basierend auf der Gründungsgeschichte der EU und der Nato. Angefangen mit der einflußreichen Familie Dulles, Jean Monnet, Richard Coudenhove-Kalergi bis zu Winston Churchill werden entscheidende Persönlichkeiten und ihre Nähe zu den relevanten politischen und wirtschaftlichen Entscheidungszirkeln – immer in Verbindung mit der Hochfinanz – und ihre Rolle für die Nato und die EU im Detail beschrieben. 

Von der Truman-Doktrin, dem Marshall-Plan, dem bis heute wegweisenden National Security Act bis zur Gründung der CIA in den USA werden die Aktivitäten, die damals starken kommunistischen Bewegungen gerade in Frankreich, Italien und Griechenland zu bekämpfen, in eine Linie mit der zu Beginn rein wirtschaftlichen Verflechtung der europäischen Nationen gebracht. Vom Brüsseler Militärpakt, der zuerst gegen ein wiedererstarkendes Deutschland und später gegen die Sowjetunion gerichtet war, bis zur Gründung der Nato 1949 in Washington (1955 folgte die Gründung des Warschauer Paktes) und des Europarates – der Autor beschreibt die Hintergründe der Entstehung der beiden Deutschlands auf der Basis dieser Weichenstellungen. Eher unbekannt ist beispielsweise, daß die US-Streitkräfte anfangs ohne Wissen der Adenauer-Regierung in Deutschland Atomwaffen stationierten. Heute wissen wir, daß die atomaren Taktik- und Strategieszenarien der Nato im Kriegsfall zur völligen Auslöschung Deutschlands geführt hätten.

Von der Strategie der „Flexiblen Erwiderung“ über die Kuba-Krise bis zur Friedensbewegung und dem heißen Herbst 1983 zur janusköpfigen Unterstützung von Saddam Hussein beim Irakisch-Iranischen Krieg und dann im ersten und zweiten Golfkrieg gegen den Irak – Wolfgang Effenberger beschreibt im Detail, wie USA/Nato immer wieder über gezielte Fehlinformationen die Öffentlichkeit über ihre wirklichen Absichten täuschten.

Die Hintergründe der Kriege in Jugoslawien und der Weg zum ersten völkerrechtswidrigen Krieg Deutschlands im Dienste der Osterweiterung der Nato, die „Regime-Change“-Aktivitäten in Libyen, beim Arabischen Frühling, in Syrien und in der Ukraine bis zur kritischen Rolle und Finanzierung der Weißhelme werden kenntnisreich erläutert.

Hintergründe jenseits von Verschwörungstheorien

Der Autor gewährt einen Einblick in die strategische Rolle der NGOs und deren Verbindungen zum Multimilliardär und Finanzmarktspekulanten George Soros und seiner Open Society Foundation sowie der EZB-Chefin Christine Lagarde und der ins Amt getricksten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Vom 9/11 US Patriot Act über die Einschränkung der Bürgerrechte bis zur Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Propagandamaßnahmen; der Absicht, die Impfmaßnahmen global zu überwachen, bis hin zur Bargeldabschaffung, der dahinterstehenden Bill Gates Foundation und dem „Great Reset“ von WEF-Chef Klaus Schwab – Wolfgang Effenberger hat hier vorbildlich Fakten zusammengetragen, die mögliche Erklärungsmuster für einige unverständliche Maßnahmen bieten. Die Migrationskrise und die vom ehemaligen Goldman-Sachs-Manager und UNHCR-Chef Peter Sutherland verantwortete drastische Kürzung der Versorgung der syrischen Flüchtlingslager, gebilligt von Angela Merkel und Barack Obama, lassen diese angeblich „schicksalhafte, unvorhersehbare“ humanitäre Katastrophe in einem völlig anderen Licht erscheinen.

Dieses Buch hat eine unerhörte Informationsdichte, ist eine unerschöpfliche Quelle wichtiger Hintergrundinformationen der jüngeren europäischen Geschichte, mit Hunderten von Literaturangaben, die es möglich machen, daß ein kritischer Leser auch die Primärquellen nachvollziehen kann. Wer Erklärungsmuster für die neuere europäische Geschichte und deren supranationale Institutionen abseits des Mainstreams sucht, aber für abstruse Verschwörungstheorien wenig übrig hat, ist mit diesem Buch bestens bedient.

Nach dem Durcharbeiten dieses Werkes bleibt dem Leser vielleicht auch das Nato-Motto im Gedächtnis hängen: Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit.

Wolfgang Effenberger: Schwarzbuch EU & Nato. Warum die Welt keinen Frieden findet. Verlag zeitgeist Print & Online, Höhr-Grenzhausen 2020, gebunden, 640 Seiten, 27,90 Euro