© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/21 / 29. Januar 2021

Vom Börsencrash bis Osama bin Ladens Tod
Subjektive Perspektiven: Der erste Band der voluminösen Autobiographie des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama bietet einen historischen Überblick
Filip Gaspar

Bei Barack Obama mußten alles Superlative sein, darunter ging es nicht. Den Friedensnobelpreis als Vorschußlorbeeren erhalten zu haben oder wie seine aktuell vorgelegte und handgeschriebene Autobiographie auf knapp 1.000 Seiten. Und hierbei handelt es sich nur um den ersten Band, der mit der Kommandoaktion zur Ausschaltung von Osama bin Laden endet. Auf den ersten Seiten bereits schreibt Obama, daß er versuchen werde, eine „ehrliche Darstellung“ seiner Amtszeit abzuliefern. 

Natürlich ist jede Schilderung, sei sie noch so objektiv gehalten, gleichzeitig auch der Versuch, das eigene Handeln zu rechtfertigen. So räumt er ein, daß sein großes Wahlversprechen, die amerikanische Gesellschaft in eine gerechtere zu verwandeln, nicht komplett gelungen sei, er aber nicht in Gänze gescheitert sei und das viel größere Übel mit seinem Nachfolger, Donald J. Trump, ins Weiße Haus eingezogen sei. Dieser wird einige Male im Buche erwähnt und in keinem guten Lichte dargestellt. Dafür kommt Joe Biden, Obamas damaliger Vize- und seit ein paar Tagen Präsident der USA, um so besser im Buch weg.

Obamas Selbstkritik beschränkt sich aufs Private

Obama gibt einen kurzen Überblick zu seiner Familie und seiner Jugend. Er ist Sohn des Kenianers Barack Obama und der Weißen aus Kansas stammenden Stanley Ann Dunham, die sich im Studium auf Hawaii kennenlernten und heirateten, auch wenn die Ehe nicht lange hielt. Auf Hawaii und in Indonesien wuchs er auf, später Studium der Politikwissenschaft in Los Angeles und New York und weitere drei Jahre Rechtswissenschaft an der Harvard Law School, wo er während eines Sommerpraktikums seine Betreuerin und spätere Ehefrau Michelle kennenlernt. Nach dem Studium arbeitet er in Chicago als Community Organizer und wird zu dieser Zeit, um 1992, erstmals politisch aktiv. Bill Clinton hatte Obama eine Menge afroamerikanischer Stimmen zu verdanken. Es beginnt eine Bilderbuchkarriere von der amerikanischen Provinz, die über den Senat schließlich ins Weiße Haus führt. All das wohlgemerkt in weniger als zehn Jahren.

In Obamas Amtszeit fällt der Zusammenbruch der amerikanischen Immobilienblase, die sich zuerst zu einer Banken- und dann einer globalen Finanzkrise ausweitete. Er schildert die zähen Verhandlungen, um ein mehrere Milliarden teures Wirtschaftsprogramm gegen den Widerstand der Republikaner durchzuboxen. Darunter fielen auch finanzielle Hilfsmaßnahmen für die Automobilbranche, die endgültig vor dem Kollaps stand.

Vergleicht man allerdings die damaligen Summen mit den heutigen Corona-Hilfen, so fallen diese kaum ins Gewicht. Zu den nicht umgesetzten Plänen Obamas gehört auch die Schließung des Gefangenenlagers in Guantanamo, ein Klimagesetz auf den Weg zu bringen und die Reform des Gesundheitssystems. Aus Obamas Sicht scheiterten diese Unternehmungen nicht an ihrer Umsetzbarkeit, sondern entweder am Widerstand der Republikaner oder am Widerstand aus den eigenen Reihen. Eine Selbstkritik Obamas sucht man vergebens oder sie beschränkt sich darauf, zu wenig Zeit mit seinen Kindern oder seiner Frau verbracht zu haben.

Viele Seiten nimmt Obamas Außenpolitik ein und seine Reisen in den Nahen Osten, nach Rußland oder Deutschland. Obama wollte einen amerikanischen Weg in der Außenpolitik beschreiten und nahm dabei in Kauf, traditionelle Verbündete wie Israel vor den Kopf zu stoßen. 2009 hält er eine Rede an der Universität von Kairo und plädiert für einen Neuanfang im Verhältnis zum Islam und Demokratieförderung in islamischen Ländern. Überhaupt liefert er zu jedem Auslandsbesuch ein historisches Kurzreferat ab, das aber nicht immer detailgetreu, teilweise sogar voller Mängel ist. Seine Darstellungen zur Situation zwischen Israel und den Palästinensern ist alles andere als objektiv und daß Obama und Benjamin Netanjahu keine Freunde geworden sind, kommt zwischen den Zeilen mehr als deutlich zum Vorschein. Trotz aller Schwächen bietet dieser erste Band aber einen lesenswerten Überblick über die jüngste Zeitgeschichte.

Barack Obama: Ein verheißenes Land. Penguin-Verlag, München, 2020, gebunden, 1.024 Seiten, Abbildungen, 42 Euro