© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

„Das ist rassistisch“
Schürt die „Antirassismus“-Bewegung in Wahrheit, was sie zu bekämpfen vorgibt und bevormundet sie Schwarze in kolonialer Manier? Der Journalist Lipton Matthews hat es satt, daß Weiße ihn belehren, wann er sich diskriminiert zu fühlen hat, und geht mit ihnen ins Gericht
Moritz Schwarz

Herr Matthews, Sie sind schwarz, dennoch kritisieren Sie den um sich greifenden „Antirassismus“. Ist das nicht ein Widerspruch?

Lipton Matthews: Nein, denn Menschen sind Individuen und sollten die Argumente unterstützen, die auf Logik basieren. 

Was meinen Sie?

Matthews: Wenn die Tatsachen zum Beispiel „Black Lives Matter“ nicht recht geben, dann wäre es doch dumm, sich mit der Bewegung zu solidarisieren. Zudem ist der Antirassismus auf dem Trugschluß aufgebaut, nur weiße Menschen würden Böses im Schilde führen. Darüber hinaus zielen viele derjenigen, die diese Ansicht teilen, darauf ab, Weißsein als eine Art philosophisches Konzept zu verstehen. So hat sich kürzlich etwa das Smithsonian Museum dafür entschuldigt, rationales Denken als weiße Kultur bezeichnet zu haben. Mit anderen Worten: Merkmale, die wir normalerweise mit dem Westen assoziieren, wie Individualismus oder Kapitalismus in Gestalt einer freien Marktwirtschaft, werden gegenwärtig als Teil der Philosophie des Weißseins wahrgenommen. 

Sie wollen sagen, um ein echter „Antirassist“ zu sein, reicht es nicht, nur gegen Diskriminierung, man muß auch gegen die westliche Kultur an sich sein?

Matthews: Ja, man muß darauf abzielen, sie zu unterwandern. Und dabei spielt es keine Rolle, daß der Kapitalismus der freien Marktwirtschaft das für das Gedeihen der Schwarzen vorteilhafteste System ist, wie der britische Ökonom William Hutt schon vor Jahren dargelegt hat. Nein, alles was mit „Weißsein“ assoziiert wird, ist schlecht – auch wenn es gut ist. Sie sehen, Antirassisten und BLM sind unlogisch. 

Dann steckt in diesem „Antirassismus“ selbst Rassismus? 

Matthews: Die Antirassismus-Bewegung ist in ihrem Haß auf Weiße eindeutig – allerdings ist sie auch anti-schwarz. Für ihre Anhänger geht es nicht wirklich um Diskriminierung, sondern um Macht und den Wunsch, uns zu belehren, daß rassische Leistungsunterschiede zeigen, Amerika leide unter systemischem Rassismus. Es wird außerdem unterstellt, Schwarze könnten nicht rassistisch sein, da sie keine Macht hätten. Dabei ist diese defätistische Sichtweise selbst schon eine Form von antischwarzem Rassismus, da sie eben suggeriert, daß Schwarze keine Macht haben und auch nichts erreichen können, wenn die Weißen nicht beschließen, das Problem des Rassismus zu lösen. Der schwarze US-Historiker Lerone Bennett argumentierte dagegen in seinem Buch The Shaping of Black America, daß in den Jahren 1787 bis 1837 freie Schwarze die institutionelle Struktur der schwarzen Gesellschaft schufen – eine Ära, die rassistischer war als unsere heutige Zeit. Antirassisten aber lehren, Schwarze wären ohne die Hilfe Weißer nicht in der Lage voranzukommemn. Eine führende Prophetin dieser Bewegung ist die US-Soziologin Robin DiAngelo, die behauptet, daß Weiße von Natur aus rassistisch seien – wobei viele von ihnen sich ihres Rassismus aber nicht bewußt sind. Dennoch denkt sie, Menschen, die sich ihres Rassismus gar nicht bewußt sind, seien am besten geeignet, ihn zu beseitigen. Ach, es ist eine Tragödie, daß Leute DiAngelo lesen!

DiAngelo ist eine weiße Kalifornierin – also erklären Weiße den Schwarzen, was Rassismus und was Antirassismus ist? 

Matthews: Die antirassistischen Organisationen werden tatsächlich von weißen Liberalen durch eine völlig verzerrte Sicht der Realität irregeführt. Schwarze und naivere Linke gehen ja davon aus, daß der Antirassismus die Lage Schwarzer und anderer Minderheiten verbessern soll. In Wirklichkeit aber handelt es sich um einen Kampf zwischen Weißen: Die Verteidiger der westlichen intellektuellen Tradition, die auf dem Christentum beruht, gegen die Anhänger von Herbert Marcuse und des marxistischen Denkers Antonio Gramsci, die verstanden haben, daß man die westliche Gesellschaft beziehungsweise den Kapitalismus nicht zerstören kann, ohne ihre Institutionen zu untergraben und die Philosophie zu korrumpieren. Schwarze Menschen und Minderheiten werden dabei nur als Werkzeuge gebraucht, um das Vertrauen in die westliche Zivilisation zu erschüttern. 

Klingt das nicht etwas nach Verschwörungstheorie?

Matthews: Nein, ich gebe Ihnen ein Beispiel: BLM behauptet ja, Polizeibrutalität ausrotten zu wollen. Warum aber greifen dann viele Aktivisten das Christentum und die Kernfamilie an?  Etwa hat die BLM-Netzseite nach Protesten einen Beitrag entfernt, der gegen die Kernfamilie gerichtet war. Das zeigt übrigens ebenfalls, daß sie die Lage der Schwarzen nicht kümmert. Denn wäre das der Fall, würden sie nicht nur nicht gegen den Kapitalismus, sondern auch nicht gegen die Familie sein. Da Untersuchungen gezeigt haben, daß Schwarze enorm von der Bildung stabiler Familien profitieren, und daß kein System mehr für Schwarze geleistet hat als der Kapitalismus. Um also Ihre Frage zu beantworten: Eigentlich ist es irrelevant, daß weiße Liberale glauben, das Recht zu haben, schwarzen Menschen Rassismus zu erklären, weil Antirassismus eben gar nichts mit Schwarzen zu tun hat. 

Dennoch, wie empfinden Sie als Schwarzer solches Verhalten denn persönlich? 

Matthews: Ach wissen Sie, weiße Liberale haben so wenig Vertrauen in Schwarze, daß es mich nicht mehr überrascht, daß sie glauben, das Recht zu haben, Schwarzen zu sagen, was sie tun sollen. Ich finde es nur sehr bedauerlich, daß so viele nicht in der Lage sind, die wahren Absichten derer zu erkennen, die behaupten, Schwarze zu lieben.

Ist BLM – jetzt für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen – also tatsächlich gar keine schwarze, sondern eine weiße Organisation?

Matthews: Gegründet wurde BLM schon von Schwarzen – doch die Philosophie der Bewegung ist von Weißen beeinflußt. Schwarze hören eben auf Aktivisten, die behaupten, ihnen läge ihr Interesse am Herzen. Schwarze haben ihnen den Mythos „abgekauft“, sie würden unterdrückt. Wobei die Weißen, die bei BLM mitmachen, genauso dumm sind – das zeigen etwa Videos von Weißen, die Schwarze um Sühne anflehen.  BLM profitiert von Geldern weißer Führungskräfte, und einige Zweige von BLM werden gar von einer radikal-marxistischen Gruppe in San Francisco unterstützt, der „Chinese Progressive Association“.

Wie verbreitet ist eigentlich Kritik, wie Sie sie üben, unter Schwarzen?

Matthews: Führende Persönlichkeiten der US-Gesellschaft und die schwarze Bevölkerung unterstützen BLM. Kritik dagegen kommt meist von Konservativen – nicht von Insidern oder den durchschnittlichen Schwarzen.

Warum ist das so? Müßten nicht mehr Schwarze das durchschauen?

Matthews: Sie müssen bedenken, daß die schwarzen Amerikaner von den Medien getäuscht werden, die ihnen erzählen, daß BLM ihr Interesse vorantreibe.

Wie geht man in der Bewegung damit um, daß das Verhalten der Weißen darin genau dem entspricht, was man nach außen als „weißes koloniales Verhalten“ angreift?

Matthews: Gar nicht. Denn wie gesagt, respektieren weiße Liberale Schwarze sowieso nicht. Und letztere fügen sich deren Arroganz aus einem Gefühl der Verzweiflung. 

Greifen die US-Medien diesen doch offensichtlichen Widerspruch denn nicht auch mal auf? 

Matthews: Pardon, aber amerikanische Journalisten sind ein Witz! Nur ein Irrer würde erwarten, daß die „kritischen Journalisten“ des Mainstreams irgend etwas kritisch hinterfragen.

Sie beschreiben einen inhärenten Rassismus gegen Weiße. So eine Behauptung gilt in Deutschland allerdings als Propagandalüge von Rechtsextremisten.

Matthews: Nein, man kann Bewegungen wie BLM nicht von ihrer antiwestlichen Gesinnung trennen. Denken Sie daran, daß es ihr Ziel ist, die westliche Zivilisation zu zerstören. Für solche Gruppen ist das Weißsein nichts weiter als eine Philosophie der Ausbeutung – die ergo vernichtet werden muß. Also werden im weiteren Sinne weiße Menschen, die von der westlichen Kultur geprägt wurden, gehaßt. Auf der anderen Seite werden schwarze Menschen als tugendhaft dargestellt. Doch wenn man nicht in der Lage ist, auch böse zu sein, dann ist man kein Mensch! Auch daher ist BLM rassistisch, da man dort unterstellt, daß Schwarze nicht schlau genug sind, um böse zu sein.

Ist das Ganze nicht noch auf eine andere Art rassistisch: Einfach, weil es das Denken in Rassen am Leben erhält?

Matthews: Natürlich, wenn man in Begriffen der Rasse denkt, dann ist man Rassist. Auch indem BLM dieser Vorstellung anhängt, ist es also eine rassistische Bewegung. 

Andererseits würden Vertreter des „Antirassismus“ argumentieren: da das System per se rassistisch sei, ist das Denken in Rassen nur konsequent – sie zu ignorieren dagegen zementiere den „strukturellen Rassismus“ . 

Matthews: Die Beweise für einen strukturellen Rassismus in den Vereinigten Staaten sind schwach. Und die Forschung legt auch nicht nahe, daß Amerika daran leidet. Im Gegenteil wurden zum Beispiel in etlichen Schulbezirken die Anforderungen gesenkt, nur um Schwarze zu beschwichtigen. Die Schulen in San Diego etwa sind ein Beispiel dafür. Und wie der schwarze Autor Shelby Steele in einem kürzlich erschienenen Artikel im Wall Street Journal festgestellt hat, begünstigen verschiedene politische Maßnahmen überwiegend Schwarze. Zudem informierte 2019 die Washingtoner „Brookings Institution“, daß die Einkommen von Schwarzen steigen. 

Dennoch, impliziert nicht das noch vorhandene Wohlstandsgefälle zwischen den Rassen in den USA strukturellen Rassismus?

Matthews: Nein, und laut einem Artikel des Journal of Blacks in Higher Education haben Schwarze mit einem Doktortitel ein höheres Einkommen als ähnlich gebildete Weiße. Natürlich aber gibt es einzelne Menschen, die rassistisch sind, das stimmt. Und der Rassismus wird auch nie verschwinden. Doch interessanterweise finden sich nach den vom „World Population Review“ analysierten Daten die am wenigsten rassistischen Gesellschaften im Westen.  

Sie zitieren immer wieder wissenschaftliche Quellen. In Deutschland hört man dagegen so gut wie gar nicht, daß Wissenschaftler dem „Antirassismus“ widersprechen.

Matthews: Das sollten sie aber. Nehmen wir doch mal das Thema Polizeigewalt, das bei BLM ja eine große Rolle spielt. Mehrere Studien zeigen, daß die amerikanischen Polizeibehörden keineswegs von systemischem Rassismus durchdrungen sind. Ein oft zitierter Bericht, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences, stellt fest, daß nicht die Rasse die rechtswidrigen Tötungen erklärt, sondern der Grad der Gewalt, der im Umfeld eines Menschen herrscht. Zudem stellen Afroamerikaner nur 13,4 Prozent der US-Bevölkerung, begehen aber 55,9 Prozent der Morde. Daher ist es Unsinn zu argumentieren, daß Schwarze im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil überproportional oft getötet werden. Denn entscheidend ist vielmehr, daß Schwarze, was Kriminalität angeht, überrepräsentiert sind. Selbst das linksgerichtete Center for Policing Equity hat erklärt, daß die Polizei bei der Verhaftung schwarzer Täter mit 42 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit tödliche Gewalt anwendet. Und dies deckt sich auch mit den Untersuchungen des schwarzen Harvard-Professors Roland Fryer. Bilder getöteter Schwarzer sind populär – aber Anekdoten spiegeln selten die Realität!

Wohin wird all das die Gesellschaft führen? 

Matthews: Tja, das ist die große Frage. 

Manche glauben an eine Art Bürgerkrieg, gar einen Zerfall der USA? Möglich oder ein übertriebenes Horrorszenario? 

Matthews: Nun, auf jeden Fall gibt es keine Anzeichen dafür, daß die Dinge besser werden. Im Gegenteil, die Medien werden weiterhin rassistische Spannungen schüren. Und wenn die Verleumdung der Weißen so weitergeht, werden sie skeptischer gegenüber den Forderungen der Aktivisten werden. Die  USA werden wohl eine stärker tribalisierte Gesellschaft werden. Doch wie das endet? Ich denke, Amerika hat, wie die meisten westlichen Gesellschaften, sein Selbsvertrauen verloren und ist zu schwach, um noch für sich zu kämpfen. Und so wird es seinen Abstieg in den Abgrund weiterhin genüßlich fortsetzen.






Lipton Matthews, der Historiker, Wirtschaftsanalyst und Autor schreibt unter anderem für etliche Online-Zeitschriften wie The Federalist, American Thinker, The Imaginative Conservative, Intellectual Takeout oder das Mises Institute. Geboren wurde er 1995 auf Jamaika. 

Foto: Antirassismus-Demo in Dresden: „Weiße Liberale respektieren Schwarze nicht, sie glauben das Recht zu haben, ihnen zu erklären, was Rassismus ist ... Sie brauchen sie nur als Werkzeug  im Kampf gegen andere Weiße ... Auch kümmert sie ihre Lage nicht, sonst wären sie nicht gegen Familie und Kapitalismus, von denen Schwarze nämlich enorm profitiert haben“  

 

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