© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Nehammer schlägt zurück
Österreich im Corona-Fieber: Trotz Verbots spazierten Regierungskritiker duch Wien / Zehn Festnahmen
Curd-Torsten Weick

Die nüchterne Bilanz der Polizeidirektion Wien zur verbotenen Corona-Demonstration in Österreichs Hauptstadt am vergangenen Sonntag, an der rund 10.000 Menschen teilnahmen: „Circa 850 Anzeigen nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz sowie einige Festnahmen, unter anderem wegen des Verdachts des Widerstands gegen die Staatsgewalt, als auch wegen Verstößen gegen Covid-19-Bestimmungen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind die Verletzungen von mehreren Polizisten bekannt, zumindest zwei davon durch fremde Gewalteinwirkung.“

Innenminister sieht überall Rechtsradikale

Parallel dazu fuhr Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) schwere Geschütze auf. Die österreichweiten Versammlungen hätten gezeigt, daß sich „Extremisten, Rechtsradikale und Leugner einer weltweiten Pandemie nur zu dem Zweck versammelt“ hätten, die Bevölkerung „zu verunsichern, die gefährliche Pandemie zu verharmlosen und sich nicht an die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu halten – unter dem Deckmantel des fundamentalen Rechts auf Demonstrationsfreiheit“, so der 48jährige Wiener. Nehammer vergaß nicht, zu unterstreichen, daß er es als „völlig absurd“ bewerte, daß ausgerechnet sein Vorgänger im Amt, Herbert Kickl (FPÖ), „Öl ins Feuer“ gegossen und „unheilige Allianzen mit Rechtsradikalen“ geschmiedet habe.

Diese Aussagen wertete der stellvertretende FPÖ-Fraktionsvorsitzende Hannes Amesbauer als „Beleg der Nervosität“ der ÖVP. „Die giftigen Anwürfe gegen die FPÖ und insbesondere unseren Fraktionsvorsitzenden Herbert Kickl entbehren nicht nur jeder Grundlage, sie sind zudem Ausdruck der durch die ÖVP forcierten und gleichzeitig gescheiterten Eskalationstaktik. In der ÖVP verbreitet sich rasend schnell ein Ungeist, der alles außer der eigenen Meinung verbieten will“, so der FPÖ-Sicherheitssprecher.

Die FPÖ hätte gerne die Verantwortung übernommen und im „geordneten und sicheren Rahmen dem Protest gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung „eine Plattform geboten“. Doch nachdem die „ÖVP-Truppe selbst davor nicht mehr zurückschreckte, erstmalig in der Zweiten Republik eine politische Kundgebung einer Parlamentspartei zu untersagen und das verfassungsmäßig verbriefte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Füßen zu treten“, liege die alleinige Verantwortung für die Geschehnisse bei jenen, die diese Untersagung betrieben haben, so Amesbauers Fazit.

FPÖ: „Generalangriff auf Grundrechte“

Der FPÖ-Fraktionsvorsitzende Kickl lobte die Tausenden Österreicher aus „sämtlichen Gesellschaftsschichten“, daß sie ihren Protest gegen den „schwarz-grünen Corona-Wahnsinn friedlich, aber bestimmt zum Ausdruck“ gebracht hätten und nicht in „Nehammers Eskalationsfalle“ getappt seien. „Mit euch verteidige ich gerne unsere Freiheit – so lange, bis sie in vollem Umfang wiederhergestellt ist“, so der Freiheitliche. Der Ex-Innenminister hatte Anfang der vergangenen Woche  bekanntgegeben, daß er als Redner auf der Demonstration, die unter dem Motto „Für die Freiheit, gegen Zwang, Willkür, Rechtsbruch“ stand, auftreten werde. Das Verbot der Demonstration am vergangenen Freitag wertete Kickl dann auch als „rechtlich nicht im mindesten gedeckten Generalangriff auf das Grundrecht der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit unter fadenscheinigsten Vorwänden“.

Entsprechend beantragte die FPÖ am Montag eine Sondersitzung des Nationalrates. Auch die SPÖ kritisierte die Untersagung der Demonstrationen.