© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

„Zukunftskredite“ – eine ökonomische Mutante des Coronavirus
Steuerzahler in der Haftung
Dirk Meyer

Die Corona-Krise hat mit staatlichen Ausfallhilfen die bestehende Wirtschaftsordnung teils außer Kraft gesetzt. Jedoch entstehen zunehmend Zweifel, ob das schuldenfinanzierte Füllhorn seine krisendämpfende Funktion noch erfüllt oder bereits zu einem Umbau in eine „Kommandowirtschaft“ führt.

Sind Staatshilfen für Karstadt, wo die Überlebensfähigkeit schon vor Corona fraglich war, noch angemessen? Gefährdet die weitere Aussetzung der Pflicht zur Insolvenzanmeldung gesunde Firmen durch Geschäftsbeziehungen mit unerkannten „Zombies“ (JF 3/21)? Führt die Forderung nach Aufhebung der Schuldenbremse von Grünen, Linken und SPD durch ähnliche Äußerungen von Kanzleramtschef Helge Braun zum Umbau der Finanzordnung? Und sind die 750 Milliarden Quasi-Eurobonds-Kredite durch das Wirtschaftsaufbauprogramm NGEU mit deutschen Nettozahlungen von voraussichtlich 52 Milliarden und einer Kompletthaftung für den gesamten Umfang der endgültige und dauerhafte Einstieg in eine schuldenfinanzierte Fiskalunion?

Die ökonomische Mutante des Coronavirus als lenkende Staatswirtschaft findet jetzt große Unterstützung seitens des renditeschwachen Geschäftsbankensektors. Deutsche-Bank-Vorstand Christian Sewing, unterstützt vom Präsidenten des Bankenverbands, Hans-Walter Peters, fordert eine Förderung von Zukunftstechnologien: vom elektrischen und automatisierten Fahren, über Künstliche Intelligenz, Digitalisierung der Industrie und Klimaschutz bis zum Gesundheitswesen.

Angelehnt an die Corona-Hilfskredite sollen „Schlüsseltechnologien“ von der staatlichen Förderbank KfW und den Geschäftsbanken gemeinsam finanziert werden. Die Banken refinanzieren sich zu Negativzinsen über die EZB-Sonderprogramme TLTRO, und der Bund übernimmt 80 bis 100 Prozent des Kreditausfallrisikos. Dazu soll der Staat auch noch Haftungskapital für Forschung und Entwicklung über stille Beteiligungen bereitstellen – eine Win-Win-Situation: Die Banken erhalten ein sicheres Geschäftsmodell und die Politik Mitsprache bei ihren Zukunftsvisionen. Frankreich plant ein ähnliches Vorgehen für den Mittelstand.

Das wäre aber eine indirekte Investitionslenkung des Staates – doch dieser war noch nie ein weitblickender: Atomenergie, Concorde-Überschall-Flugzeuge, Biotreibstoff und eine ökologisch fragwürdige Elektromobilität geben Beispiele. Fehlinvestitionen, deren Kosten die Steuerzahler und Bürger tragen, wären wahrscheinlich. Verläßliche marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen mit entsprechenden Umweltnutzungspreisen und ein verbesserter Zugang zum Kapitalmarkt für kleine und mittelständische Firmen wäre die marktwirtschaftliche Antwort.






Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.