© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Öffentlich-rechtliche Verteilungskämpfe
MDR schlägt Rechtsweg ein: Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt streiten um Sendergelder
Ronald Berthold

Ein heftiger Streit zwischen dem MDR und den drei ihn tragenden Bundesländern könnte vor Gericht enden. Gegenseitig werfen sich Politik und öffentlich-rechtlicher Sender verfassungswidriges Vorgehen vor. Damit eskaliert eine Situation, die in der Blockade der Rundfunkbeitragserhöhung ihren Anfang nahm.

Das MDR-Land Sachsen-Anhalt hatte im Dezember die Unterzeichnung des neuen, für ganz Deutschland geltenden Medienstaatsvertrages verweigert und somit Mehreinnahmen für ARD, ZDF und Deutschlandradio von 400 Millionen Euro verhindert. Dagegen klagen die Anstalten derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht.

Seitdem ist die Stimmung gereizt. Nun bekommt sich der Mitteldeutsche Rundfunk mit Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen über eine Passage des nur für Mitteldeutschland geltenden Vertrages in die Haare. Es geht vor allem um die „gerechte Verteilung der Regionaleffekte“ der ARD-Anstalt in den drei Ländern. Damit ist gemeint, daß die Rundfunkanstalt dort jeweils angemessen auch in Infrastruktur und Personal investiert.

Der MDR hält diese Vorschrift und damit den gesamten Vertrag, dessen Entwurf gerade in den Parlamenten diskutiert wird, für verfassungswidrig. Die drei Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (Sachsen, CDU) Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU) und Bodo Ramelow (Thüringen, Linke) haben ihn bereits unterzeichnet.

Verschärft wird der Streit durch eine massive Drohung Thüringens. Die von der CDU geduldete rot-rot-grüne Regierung zieht öffentlich die nachträgliche Kündigung des neuen Staatsvertrags in Betracht, sollten in ihr Land künftig nicht so viele MDR-Gelder fließen, wie der MDR aus den Rundfunkbeiträgen der Thüringer erhält.

Die Fronten sind verhärtet: Die Drei-Länder-Anstalt meint wieder einmal, die „Rundfunkfreiheit“ sei nicht mehr gewährleistet, wenn der Vertrag in seiner derzeitigen Fassung in Kraft trete. Der Juristische Direktor des Senders, Jens-Ole Schröder, kritisiert die Regelung, der Intendant habe im Rahmen des Möglichen darauf hinzuwirken, daß den Ländern „ihre Anteile an den Einnahmen des MDR mittelfristig zugute kommen“.

Gutachten stützt die Sicht der Anstalt

Obwohl sich vor allem Thüringen benachteiligt fühlt, ziehen die anderen Länder am selben Strang. Der medienpolitische Sprecher der sächsischen CDU-Fraktion, Andreas Nowak, ist verärgert über den MDR-Vorstoß. Bei der Frage, wie die Gelder in den Ländern verteilt werden, sei die bestehende Formulierung aus dem alten MDR-Staatsvertrag sogar um ein Vorschlagsrecht von Rundfunkrat und Verwaltungsrat ergänzt worden. Eine Änderung zum Status quo ergebe sich dadurch gar nicht. Außerdem fühlt sich Nowak im „verfassungsmäßigen Recht des Gesetzgebers, die Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ordnen“, eingeschränkt. Der MDR müsse das Gestaltungsrecht der Parlamente ernst nehmen.

Sucht der MDR also Streit, wie die FAZ meint? Der Sender hat von seinen angeblich knappen Gebührengeldern sogar ein Gutachten beim Verfassungsrechtler Dieter Dörr bestellt. Der findet: Die Passage über die Länderanteile an den Rundfunkbeitrag-Einnahmen sei verfassungswidrig. Der Staatsvertrag müsse die Programmautonomie und die Organisationshoheit des MDR widerspiegeln. Dies sei nicht der Fall.

Merkwürdig ist jedoch: Bei der rechtlichen Prüfung des MDR-Staatsvertrages in allen drei Bundesländern war in keinem dieser Verfahren ein solch potentieller Konflikt mit der Verfassung aufgefallen. Der MDR scheint dieses Argument sehr plötzlich aus dem Hut zu zaubern. Noch in seiner Stellungnahme vom 10. Dezember hatte die Anstalt sogar vorgeschlagen, nicht „von den Anteilen der Länder zu sprechen, sondern von einer der Bevölkerungszahl der Länder angemessenen Verteilung der Ressourcen des MDR auf die drei Staatsvertragsländer“.

Ganz von der Hand zu weisen sind die aktuellen Bedenken des MDR dennoch nicht. Der Medienwissenschaftler Markus Heinker sieht den Sender in einem Zielkonflikt: Dadurch, daß der MDR gezwungen sei, Standortentscheidungen politisch motiviert zu treffen, werde er möglicherweise zu ineffizienteren Strukturen gezwungen.