© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Digitale Briefe verschicken
„Rums“ will den Lokaljournalismus wiederbeleben: Gesellschafter und Autoren stehen inhaltlich für Altbekanntes
Christian Schreiber

Rums“ hört sich erst einmal nach einem großen Knall an. Und in der Tat hat das gleichnamige Medienprodukt ein erstaunliches überregionales Echo erzeugt, obwohl es rein auf die westfälische Stadt Münster bezogen ist. „Wir schreiben Münster einen Brief“, erklärt Redakteurin Katrin Jäger das Konzept von „Rums“, die Abkürzung steht für „Rund um Münster“: soll heißen, die Artikel erreichen ihre Leser als Newsletter. 

Das Online-Portal ist seit einigen Monaten auf dem Markt und kann mit (einheimischer) Prominenz aufwarten wie dem Ex-Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer, Grünen-Politikerin Marina Weisband und dem ehemaligen CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, der 19 Jahre im Stadtrat saß, bevor er in den Bundestag einzog. „Wir beobachten, was in der Stadt wichtig ist, greifen Themen und Konfliktlinien auf und beleuchten sie kritisch in unseren Briefen und Podcasts“, schreiben die Betreiber auf rums.ms und setzen dabei auf ihre Leser. Die Abonnements sind in die Kategorien „Standard“, „Idealistisch“ und „Großzügig“ unterteilt und kosten acht, 15 und 40 Euro. 

Das Portal legt Wert auf die Tatsache, werbefrei zu sein und setzt langfristig auf die „Community“, damit die momentane Teilzeit- und Pauschalbezahlung der Mitarbeiter ein Ende findet: „Aktuell finanzieren wir uns durch das Startkapital, das unsere Gesellschafter:innen im März 2020 eingesammelt haben.“ Über 1.100 zahlende Abonnenten konnten bisher gewonnen werden. Einer der Gesellschafter ist Mit­initiator Christian Humborg, nebenbei Finanzchef von Wikimedia Deutschland und Kuratoriumsmitglied beim Recherchekollektiv Correctiv. Eines der Vorbilder war der tägliche Checkpoint-Newsletter des Tagesspiegel, dessen Herausgeber Sebastian Turner ebenfalls beteiligt ist. 

Im Laufe der vergangenen Monate sind größere Schwerpunkt-Recherchen für die Netzseite und Live-Berichterstattungen via soziale Medien hinzugekommen. Ebenfalls als Autorin an Bord ist die Klimaaktivistin und „Fridays for Future“-Sprecherin Carla Reemtsma. Auch diese Personalie zeigt, wo die Redaktion politisch zu verorten ist. Daß sich Correctiv-Gründer David Schraven ebenfalls als Gesellschafter einbringt, ist daher auch keine Überraschung. Schraven gilt als Erfinder des deutschen „Faktenchecks“ und hat sich den Kampf gegen rechte „Fake News“ auf die Fahne geschrieben. Dauertwitterer Polenz ist ein vehementer Anhänger des Linkskurses von Kanzlerin Angela Merkel. 

Trotz der recht eindeutigen politischen Positionierung füllt „Rums“ durchaus auf professionelle Art und Weise eine Marktlücke aus, die Schule machen könnte. Denn wie an vielen Orten krankt der Lokaljournalismus auch in Münster. Die großen regionalen Tageszeitungen haben vor Jahren ihre Lokalredaktionen geschlossen. „Wir sind fest davon überzeugt, daß es genug Sehnsucht und Interesse an verläßlichem lokalen Journalismus gibt“, betont die „Rums“-Redaktion. 

Trotzdem träumen einige Macher gegenüber dem Branchenblatt Medium schon von einem monetären Anschluß an Stiftungen oder gleich an die öffentlich-rechtlichen Geldtöpfe.