© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Umwelt
Das Wagnis Geothermie
Volker Kempf

Das Erdbeben bei Straßburg mit einer Intensität von 3,6 auf der Richterskala war am 22. Januar vom Schwarzwald bis zum Saarland spürbar. Das waren schlechte Nachrichten für das fast fertige elsässische Kombikraftwerk Vendenheim von Fonroche Énergie, das die Geothermie in 5.000 Meter Tiefe angezapft hat, um so künftig Atom- und CO2-frei Strom und Wärme zu erzeugen. Auch auf der deutschen Seite des Oberrheingrabens reichen Thermalbäder nicht mehr. In Staufen im Breisgau ging das 2007 total schief. Gesteinsschichten wurden naß und quollen auf. Die Erde hob sich um etliche Zentimeter, in der Altstadt gab es breite Risse in den Fassaden. Der Freiburger Energieversorger Badenova glaubt dennoch weiter an die Tiefengeothermie: 99 Prozent der Erde seien heißer als 1.000 Grad. Dieses Potential müsse zur Klimarettung angezapft werden.

Eine völlig risikofreie, saubere, ästhetisch vertretbare und günstige Energie gibt es nicht.

Doch in der Region denken viele an das Schicksal von Staufen. Auch die Erdbeben in Basel (2006) und St. Gallen (2013) nach Tiefbohrungen sind in Erinnerung. Doch 37 Geothermie-Anlagen sind bundesweit bereits in Betrieb. Die Badenova-Tochter Wärmeplus hat Machbarkeitsuntersuchungen vor: Wenn das nicht ein örtliches Unternehmen mache, würde ein Konzern hier einsteigen. Nachdem das elsässische AKW Fessenheim nach 44 Jahren Betrieb 2020 vom Netz ging, fehlen auf beiden Seiten des Rheins energetische Alternativen. Zumindest die „untiefe Geothermie“ birgt laut Schweizer Forschern kein Erdbebenrisiko. Im Gegensatz zur Windkraft schont sie die Landschaft, es wird auch kein radioaktiver Müll anfallen. Die Abhängigkeit von öl- und erdgasliefernden Ländern wird verringert. Vielleicht gibt es auch schonende Techniken für die Tiefengeothermie. Eine völlig risikofreie, saubere, ästhetisch vertretbare und günstige Energie gibt es nicht, folglich muß nüchtern abgewogen werden.