© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/21 / 12. Februar 2021

Talkshows
Das Publikum erziehen
Dieter Stein

Sie sind die Chefunterhalter der öffentlich-rechtlichen Sender: Maybrit Illner, Markus Lanz, Sandra Maischberger, Frank Plasberg und Anne Will. Unterhalter im doppelten Sinn: Ihre Gesprächsrunden sollen den Zuschauer mit einem kurzweiligen Gedankenaustausch fesseln und vergnügen, die Gäste dazu aber auch in eine gewinnende Unterhaltung bringen, die zu neuen Erkenntnissen führt.

Doch am echten Widerstreit der Meinungen mangelt es schon lange, besonders in Corona-Zeiten werden Talk-Sendungen Regierungspressekonferenzen immer ähnlicher. Talkshowkönige wie Peter Altmaier (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) dominieren als Platzhirsche bald jede zweite Gesprächsrunde, ohne auf scharfen Widerspruch zu treffen.

Wie die JUNGE FREIHEIT (siehe Seite 7) in einer Auswertung der fünf wichtigsten Talk-Formate seit der Bundestagswahl 2017 zeigen kann, wird die Gästeauswahl immer einseitiger. Am augenfälligsten wird dies bei der Einladungspolitik gegenüber der größten Oppositionspartei im Bundestag, der AfD. Während die AfD fast anderthalbmal so stark ist wie die Grünen, wurden die Fraktionschefs der Öko-Partei, Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt, seit 2017 dreimal so oft (47mal) eingeladen wie die Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alexander Gauland und Alice Weidel (15mal).

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hätte im besten Sinne die Aufgabe, das demokratische Spektrum der Meinungen repräsentativ in seinen Sendungen aufzufalten. Statt dessen wird ein volkspädagogischer Filter eingebaut. Obwohl die Bürger in Wahlen artikulieren, bestimmte Positionen und Repräsentanten in den Parlamenten zum Tragen kommen zu lassen, blenden die Sender diese weitgehend wieder aus.

Im Zuge der Diskussion um „Deplatforming“ und „Cancel Culture“ ist das mediale Aussortieren mißliebiger Oppositionspolitiker (im Zweifel von rechts) Teil einer Machtfrage, bei der es um die Lufthoheit über den breitenwirksamen gesellschaftlichen Diskurs geht, um den Zugriff auf die öffentliche Meinung. Indem einer politischen Richtung aus Prinzip systematisch der Zutritt zu Podien und Mikrofonen verwehrt wird, soll das Publikum erzogen werden: Jener ist diskutabel, dieser nicht. Geschieht dies durch einen Staatssender, wird verfassungswidrig in den demokratischen Wettbewerb eingegriffen.

So geht betreuter Journalismus: Was ist dem Zuschauer zuzumuten, was könnte ihn verunsichern? Wen könnte er irrtümlich als „ernstzunehmenden“ Diskussionspartner erleben, der – o Schreck! – beim Austausch von gegensätzlichen Standpunkten vielleicht sogar die besseren Argumente hätte? Was wäre denn dann los? Dann könnte sich ja tatsächlich mal der Diskurs aus einer ewigen Linkskurve in eine Gerade bewegen – mit hin und wieder einem kleinen Rechtsschwenk?