© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/21 / 12. Februar 2021

Grüße aus Budapest
Kein Grund zu Unmut
Jan Mainka

Es gibt sie auch in Ungarn: die Opfer der Anti-Corona-Maßnahmen der Regierung. Gastwirte, Hotelbetreiber und Kulturschaffende haben auch hier nichts zu lachen. Das Positive aber ist, daß alle anderen von den Maßnahmen kaum berührt werden. Trotz Corona geht für die meisten Ungarn der Alltag überwiegend normal weiter. Die Geschäfte haben geöffnet, ebenso Kindergärten und Schulen bis zur 8. Klasse. 

Von der Ausgangssperre ab zwanzig Uhr nehmen nur die wenigsten Notiz. Warum sollte man auch in einer naßkalten Winternacht das warme Zuhause verlassen, wenn Restaurants und Kultureinrichtungen ohnehin geschlossen sind? 

Das Angenehme in Ungarn ist, daß die meisten zwar erstaunlich diszipliniert die vorgeschriebenen Masken- und Abstandspflichten mittragen, es aber zu keiner Szene kommt, wenn mal jemand im öffentlichen Raum dagegen verstößt. Es gibt auch kein Denunziantentum. Stellenweise werden die Corona-Vorschriften sogar unter breiter Mitwisserschaft kreativ umgangen. 

Übergriffe der Polizei auf Bürger und Bußgeldorgien gibt es in Ungarn nicht.

Das zeigt sich beispielsweise beim Freizeitsport. Da offiziell nur Leistungssportler in entsprechenden Einrichtungen trainieren dürfen, ist die Zahl der Mitglieder in Sportvereinen in den letzten Monaten in die Höhe geschnellt. Die vielen Freunde körperlicher Ertüchtigung geben nun vor, nicht nur aus purem Spaß Sport zu treiben, sondern für ihren Verein zu trainieren. 

Jeder weiß, daß das nur Etikettenschwindel ist, aber niemand würde jemandem daraus einen Strick drehen. Die Polizei hält sich generell angenehm zurück und beschäftigt sich weiterhin vorrangig mit ihren eigentlichen Aufgaben. 

Im Moment geht sie in Budapest beispielsweise gezielt gegen Taschendiebe in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die illegale Benutzung von Busspuren vor. Aktionistische Übergriffe der Polizei auf Bürger und regelrechte Bußgeldorgien wie in Deutschland gibt es in Ungarn nicht. 

Das würden weder die freiheitsliebenden Bürger noch der Berufsstolz der Polizisten erlauben. Trotz der moderaten Corona-Politik sinken die Corona-Zahlen dort übrigens schon seit Wochen. Und weil die Bürger vom Staat nicht unnötig drangsaliert werden, gibt es auch keine Basis für größere Unmutsbekundungen gegen die Corona-Politik der Regierung.