© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/21 / 12. Februar 2021

Offensive Kampfansagen
Vor fünfzig Jahren flog die rechtsextremistische Terrorgruppe um Bernd Hengst auf / Wehrsportgruppen organisierten militanten Kampf gegen das System
Marcel Waschek

Bei einer routinemäßigen Verkehrskontrolle am 13. Februar 1971 wurde im Wagen von Bernd Hengst eine Maschinenpistole gefunden. Staatsanwalt Leo Schaeben und das Bonner Polizeipräsidium begannen sofort zu ermitteln.

Im Jahr 1963 war Hengst wegen terroristischer Umtriebe in der DDR zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. 1966 wurde er vorzeitig entlassen und flüchtete in die Bundesrepublik. Dort trat er 1967 in die NPD ein und schoß im Oktober 1968 auf das DKP-Büro in Bonn. Nach Informationen des Verfassungsschutzes bekam Hengst, der vermutlich Anschläge auf die SPD-Spitze plante, 1970 dank eines Mitarbeiters des Bundesnachrichtendienstes eine Stelle als Nachtwächter im SPD-Hauptquartier in Bonn, wobei er Zugang zu allen Räumlichkeiten des Gebäudes hatte. 1971 war die um ihn gegründete Wehrsportgruppe an gewaltsamen Ausschreitungen an der sowjetischen Botschaft in Remagen beteiligt. Aufgrund der sichergestellten Beweismittel kann davon ausgegangen werden, daß die Gruppe Überfälle auf Banken, die Deutsche Bahn und Waffenlager der Bundeswehr plante. 

Nach der Verhaftung von Hengst und seinem Beifahrer Rüdiger Krauss deckten die Sicherheitsbehörden eine 18köpfige Bande auf, die sich um Hengst gebildet hatte. Hausdurchsuchungen und Festnahmen führten schließlich zur Zerschlagung der Wehrsportgruppe. Diese hatte sich hauptsächlich aus dem zur Zeit der Anschläge bereits von der Partei aufgelösten NPD-Ordnerdienst rekrutiert. Mehrere Waffendepots mit Gewehren, Pistolen und großen Mengen Munition, Propagandamaterial und Bundeswehruniformen konnten sichergestellt werden. Unter den Festgenommenen befand sich laut dem Verfassungsschutzbericht 1971 auch Werner Wolf, ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums.

„Innere Feinde“ standen immer mehr im Fokus

Die „Wehrsportgruppe Hengst“ steht nicht für sich allein. Sie war mit verschiedenen Organisationen in Verbindung, die ebenfalls ins Visier von Presse und Ermittlern gerieten. So auch nach Plakatfunden bei Wohnungsdurchsuchungen die „Aktion Widerstand“, welche bereits zuvor aufgelöst worden war, da sich die NPD – noch um einen bürgerlichen Anstrich bemüht – von ihr distanziert hatte.

Waren die meisten rechtsextremen Gruppen der 1950er und 1960er Jahre in der Bundesrepublik hauptsächlich antikommunistisch ausgelegt, so verlagerte sich Ende der Sechziger der Schwerpunkt zu einer Bekämpfung von sogenannten „inneren Feinden“. Dies betraf sowohl Elemente der linken Gegenöffentlichkeit, welche immer stärker auch gewalttätig in Erscheinung trat, als auch offizielle Vertreter der Bundesrepublik. Diesen wurde der Vorwurf gemacht, mit dem Beginn der Ostpolitik Brandts mit dem Feind, also den Kommunisten und der DDR gemeinsame Sache zu machen und die Ostgebiete zu verraten. Die WSG Hengst steht dabei zwischen dem Antikommunismus und dem Kampf gegen innere Feinde.

Während der siebziger Jahre entstanden verschiedene mehr oder minder am Nationalsozialismus orientierte gewaltaffine Gruppen, darunter auch die 1973 gegründete „Wehrsportgruppe Hoffmann“ und die 1972 gegründete Wehrsportgruppe „Deutsche Aktionsgruppen“ um Manfred Roeder. Die Wehrsportgruppen bildeten sich zumeist aus dem Umfeld rechtsextremer Parteien wie der NPD, hatten aber nach Beginn ihrer Tätigkeit in vielen Fällen nur wenig oder gar keinen Kontakt mit der Parteiebene. Anschläge erfolgten häufig spontan mit zur Verfügung stehenden Mitteln, was im Vergleich zum Linksterrorismus der Bonner Republik in den Siebzigern, welcher bei den meisten Anschlägen dem durchorganisierten Schema Planung – Beschaffung – Durchführung folgte, ein eklatanter Unterschied war.