© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/21 / 12. Februar 2021

Der Flaneur
Kopfschüttelnd durch den Tag
Paul Leonhard

Draußen ist es kalt. Soviel ist sicher, obwohl keiner von uns bisher die Nase vor die Tür gesteckt hat. Dafür haben wir zu lange herumgetrödelt. Jetzt muß es schnell gehen. Das Kind wird kurzerhand in einen praktischen Ganzkörperschneeanzug gesteckt. Gefütterte Gummistiefelchen über die Füße, Mütze auf, darüber die Kapuze und ab ins Auto – auch wenn die Mutter dabei ihre Handschuhe vergißt.

Angekommen stampft die Kleine in ihrem blauen Anzug durch den Schnee. Sie reckt den Kopf ein Stück nach hinten, schüttelt ihn, schaut uns fragend an, schüttelt erneut den Kopf, das Kinn vorgestreckt. So lange, bis die Kapuze herunterrutscht. Sie grinst, während ihre Mutter ihr liebevoll die Kapuze wieder aufsetzt. Sie reckt wieder das Kinn, schüttelt den Kopf. Ein neues Spiel ist entdeckt. Wer wird zuerst aufgeben?

Der Kater schaut mißtrauisch auf das Schneeanzugmonster und verschwindet.

Andere Kinder stehen in ebensolchen Ganzkörperschneeanzügen wie dicke Mumien herum. Bis sie ebenfalls losstapfen, sich angrinsen und ihre Köpfe um die Wette schütteln, bis die Kapuzen fallen. „Ach, ein Mädchen“, sagt eine fremde Frau zu uns, als plötzlich Zöpfe sichtbar werden.

Die Kleine hat sich indes entschlossen, sich des linken Stiefels und auch des Strumpfes zu entledigen. Keine gute Idee, stellt sie prompt fest, als sie den nackten Fuß in den Schnee stellt. Sie setzt sich hin und reckt ihn mir mit empörtem Blick entgegen. Ich streife ihr beides über, worauf sie trotzig abmarschiert, mit blinkenden Stiefeln.

Diese entzücken ohnehin nur die Erwachsenen, denn sie leuchten hinten, und der Blick des Kindes ist nach vorn gerichtet, auf einen dicken Kater im Winterfell.

Der schaut mißtrauisch dem heranstapfenden Ganzkörperschneeanzugmonster entgegen, das ihn entzückt mit großen braunen Augen anvisiert, vor ihm in die Hocke geht und die Finger ausfährt, um zu streicheln. Aber da ist der Kater schon mit einem Satz unter einem Auto verschwunden.