© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/21 / 19. Februar 2021

Konzept der Vermischung gescheitert
Islamismus in Frankreich: Morddrohungen gegen Philosophielehrer überschatten die Diskussion um ein Gesetz gegen Separierung
Friedrich-Thorsten Müller

Es ist erst wenige Monate her, daß die Ermordung des Geschichtslehrers Samuel Paty in einem Pariser Vorort durch einen Islamisten Frankreich erschütterte. Nun macht die Banlieue mit Morddrohungen gegen einen weiteren Lehrer von sich reden.

 Der Philosophielehrer Didier Lemaire ist über den Nachrichtensender LCI an die Öffentlichkeit gegangen, „weil er nicht unter ständiger Angst leben“ wolle. Was war geschehen? Nach der Ermordung Samuel Patys hatte Lemaire in einem Meinungsbeitrag zum „Widerstand gegen die islamistische“ Gefahr aufgerufen. In der Folge wurde er auf der Straße von mutmaßlichen Islamisten angefeindet. 

Kurz darauf machte ihn darüber hinaus der örtliche Polizeichef auf Gewalt- und Morddrohungen gegen ihn in den sozialen Medien aufmerksam. 

Eingewanderte Muslime beherrschen Trappes

Dort wurde er bedroht, als „zweiter Paty“ zu enden. Seitdem erhielt er auf dem Weg von und zur Arbeit Polizeischutz. Der Rektor der weiterführenden Schule, an der er unterrichtet, hat ihm sogar nahegelegt, nach 20 Jahren in Trappes seinen Dienst zu quittieren und erst einmal unterzutauchen. Die 32.000 Einwohner-Kommune im Südwesten von Paris wird zu 70 Prozent von eingewanderten Muslimen oder deren Nachkommen bewohnt. 

Wie vergiftet das politische Klima im Schatten der nationalen Debatte über ein „Gesetz gegen die Separierung“ ist, bekam umgekehrt aber auch Ali Rabeh, der Bürgermeister von Trappes, zu spüren. Seine Versuche, die Wortmeldungen des Philosophielehrers Lemaire zu verharmlosen, wurden prompt ebenfalls mit einer anonymen, diesmal islamophoben, Morddrohung quittiert. Auch Rabeh erhält deshalb inzwischen Polizeischutz.

Die Situation insgesamt scheint verfahren. Laut einem Bericht der Wochenzeitung Valeurs actuelles gibt es in Trappes „kein Weihnachten mehr“, dafür aber inzwischen nur noch nach Geschlechtern getrennte Friseursalons. Frauen bewegen sich überwiegend verschleiert in der Öffentlichkeit. Zu Cafés bekommen sie aber auch so keinen Zutritt mehr. Metzgereien verkaufen nur noch Halal-Fleisch. Die Juden verließen bereits nach einem Brandanschlag auf ihre Synagoge im Oktober 2000 die Stadt, danach gingen die Portugiesen. Inzwischen verlassen auch gemäßigte Muslime und Atheisten Trappes, das fest in der Hand seiner fünf Moscheegemeinden zu sein scheint. In diesen führen immer mehr Islamisten das Wort. Allein aus Trappes sind 50 junge Männer nach Syrien, in den „Islamischen Staat“, gezogen, elf von ihnen starben.

Schon vor Jahren gab es auf kommunalen Plakaten oder städtischen Kalendern überall in der Banlieue die offizielle Aufforderungen zur „Bevölkerungsvermischung“. Das Ganze wurde – zum Beispiel in Stains – untermalt mit Bildern von „hübschen Mischlingskindern“ und Slogans wie „Eine Mama au chocolat und ein Papa à la vanille sind das Rezept für ein Wunder“. Man hoffte, daß sich dadurch bald in jeder eingewanderten Familie durch Verschwägerung „französische Werte“ ganz von alleine durchsetzen würden.

 Doch schon Präsident François Hollande, der bis 2017 regierte, stellte fest, daß dieses Konzept gescheitert sei und sich stattdessen feste Siedlungsgebiete, die Segregation ganzer Kommunen und Stadtviertel, ausbreiteten. 

Die Politik spricht inzwischen parteiübergreifend von „für die Republik verlorenen Gebieten“, von Kommunitarismus. Französische Frauen, die dort in muslimische Familien einheiraten, treten immer öfter ihrerseits als strenggläubige Konvertitinnen in Erscheinung, statt die Werte Frankreichs in die Einwandererfamilien zu bringen. Das ist nicht nur in Trappes so, sondern in den Einwanderervierteln vieler Städte wie Straßburg, Grenoble oder Marseille.

Frankreich will stärker gegen Islamismus vorgehen

Präsident Macron, der nächstes Jahr gegen eine Marine Le Pen im Aufwind wiedergewählt werden will, ist sich bewußt, daß er zu diesem Thema „liefern“ muß. Aus diesem Grund hat er letztes Jahr den konservativen „Republikaner“ Gérald Darmanin zum Innenminister berufen. Instrument für diese neue Politik soll ein „Gesetz gegen die Separierung“ werden, das vor allem für einen „Islam der Aufklärung“ sorgen soll, so Macron. 

So will der französische Staat in Kommunen wie Trappes künftig genauer hinschauen, ob sich republikfeindliche Verwaltungsstrukturen ausbreiten, ob es zu Zwangheiraten, „Jungfräulichkeitsattests“ oder Polygamie kommt. Auch der in Frankreich noch erlaubte Hausunterricht soll deshalb abgeschafft werden, was nicht nur Frankreichs Kirchen, sondern auch Marine Le Pen zu weit geht. 

Die Rassemblement-National-Chefin würde es lieber sehen, daß man den Islam endlich in eine Religion einerseits und eine politische Ideologie andererseits aufspaltet. Letztere könnte dann ohne jede Rücksicht auf die Religionsfreiheit bekämpft werden.

Kommentar Seite 2