© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/21 / 19. Februar 2021

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Wie furchtbar die coronabedingte Lage für Kultur-einrichtungen ist, läßt sich exemplarisch für die Sparte Oper an dem monatlich erscheinenden Fachmagazin Opernglas studieren. Wo das Heft sonst randvoll unter anderem mit Besprechungen von Premieren ist, die auch Publikumsreaktionen mit einbeziehen, muß sich die aktuelle Februar-Ausgabe mit Streaming-Angeboten und Fernsehübertragungen begnügen. Jeder passionierte Theater- oder Konzertgänger indes weiß: Das Live-Erlebnis ist durch nichts zu ersetzen. So heißt es über eine Anfang Dezember gestreamte, konzertante „Cavalleria rusticana“, hochkarätig besetzt mit Jonas Kaufmann und Elina Garanca, daß „spätestens, als die Mitwirkenden am Ende der Aufführung verloren auf dem Podium standen, anstatt sich über den Jubel des Publikums freuen zu dürfen, ein Gefühl der Ernüchterung“ zurückblieb. 


Unterdessen beschäftigt die Heavy-Metal-Welt immer noch der Fall Jon Schaffer. Der Gründer und Gitarrist der US-Band Iced Earth muß sich wegen seiner Beteiligung an dem Übergriff am 6. Januar auf das Kapitol in Wa-shington vor Gericht verantworten. Mittlerweile hat seine Plattenfirma Century Media jeden Hinweis auf die Band und deren Alben von ihrer Netzseite entfernt, ebenso ist Schaffers gemeinsam mit Blind-Guardian-Mastermind Hansi Kürsch betriebenes Nebenprojekt Demons & Wizards der Cancel Culture zum Opfer gefallen. Die Zeitschrift Metal Hammer nun geht in ihrer soeben erschienenen März-Ausgabe der Frage nach, ob man die Alben mit Jon Schaffer denn überhaupt noch hören dürfe, sich der Künstler von seinem Werk trennen lasse. Bemüht werden Mörder und Totschläger ebenso wie Roman Polanski, Leni Riefenstahl oder Richard Wagner. Beantworten lasse sich diese Frage, wer hätte das gedacht, nur moralisch vor dem eigenen Ich, lautet die jämmerlich feige Schlußpointe. Darauf erst mal einen Iced-Earth-Silberling.


Pflichterwerb für alle Reaktionäre: „Sämtliche Scholien zu einem inbegriffenen Text“ von Nicolás Gómez Dávila. Der im Wiener Karolinger-Verlag erschienene Band enthält das gesamte, bislang nur in mehreren Einzelausgaben vorliegende Aphorismenwerk des kolumbianischen Denkers (1913–1994) in durchgesehenen Übersetzungen und durchnumeriert bis 10.370. Um es mit dem Cato-Rezensenten und Dávila-Kenner Till Kinzel zu sagen: ein wunderbares Buch, das in keiner gediegenen konservativen Bibliothek fehlen darf.