© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/21 / 19. Februar 2021

Das innere Feuer entfachen
„The Iceman“: Der Niederländer Wim Hof zeigt, wie sich extreme Temperaturen aushalten lassen
Maik Stüssel

Die Kamera schwenkt über das beeindruckende Eis eines Gletschers und das tiefblaue Wasser eines Sees, dessen Temperatur sich nur knapp über dem Gefrierpunkt befindet und beim Zuschauer einen ehrfurchterregenden Eindruck hinterläßt. Am Rande des Sees steht ein Mann mittleren Alters. Er trägt einen Bart und mittellange Haare, sein Körper ist sehnig und läßt nur wenig Körperfett erkennen. 

Nur mit einer Badehose bekleidet, faltet er beinahe meditativ seine Klamotten zusammen, ehe er einige Male auf eine ungewöhnliche Art einatmet und offensichtlich komplett unbeeindruckt in das eisige Wasser hineinwatet, welches den meisten Menschen bereits nach wenigen Minuten das Leben kosten würde. Er beginnt um die aus dem Wasser ragenden Eisberge zu schwimmen und erweckt dabei den Eindruck einer tiefen Vertrautheit mit lebensbedrohlichen Temperaturen. Der Anblick erscheint surreal: Warum setzt sich jemand diesem lebensbedrohlichen Umfeld freiwillig aus?

Der Name des Schwimmers ist Wim Hof, besser bekannt als „The Iceman“. Der gebürtige Niederländer ist Extremsportler und hält insgesamt 26 internationale Rekorde in Verbindung mit dem Ertragen extremer Kälte. Im Jahre 2011 war er unter anderem dazu in der Lage, beinahe zwei Stunden bis zum Hals in Eiswasser zu stehen und stellte somit einen scheinbar unerreichbaren Rekord auf. Darüber hinaus erklomm er lediglich mit einer kurzen Hose und Schuhen bekleidet den Kilimandscharo sowie den Mount Everest, dessen Gipfel er aufgrund einer Fußverletzung jedoch nicht erreichen konnte. Er lief nördlich des Polarkreises einen Marathon, abermals ausschließlich mit Schuhen und Shorts bekleidet. Auch extreme Hitze scheint dem Holländer wenig auszumachen: Ebenfalls im Jahr 2011 absolvierte er einen Marathon in der Wüste Namib, ohne währenddessen einen einzigen Schluck Wasser zu trinken.

Jeder kann die Atemtechniken erlernen

Hof gibt in Interviews und Dokumentationen an, daß jeder Mensch seine Fähigkeiten erlernen könne, wenn dieser seine als „Wim-Hof-Methode“ populär gewordene Atemtechnik befolgt, welche er über seine eigene Website, eine App und zahlreiche Bücher vermarktet. Die Methode basiert zum Großteil auf der tibetischen Meditationspraxis „Tummo“ (tibetisch für „inneres Feuer“) und besteht aus schnellem, aber tiefem Ein- und Ausatmen (30 bis 40mal) sowie dem wiederholten anschließenden Luftanhalten und führt somit zu einem gezielten Anstieg der Körpertemperatur. 

Mit Hilfe seiner Atemtechnik und der regelmäßigen Kältetherapie in Form von Eisbädern und kalten Duschen könne man nicht nur seine Toleranz gegenüber niedrigen Temperaturen erhöhen, sondern darüber hinaus das eigene Immunsystem stärken und den Fettstoffwechsel ankurbeln – sowie durch Streßreduktion seinen Schlaf verbessern und sogar Autoimmunerkrankungen behandeln. 

Die Forschung bestätigt, daß Hofs Atemtechnik einen positiven Effekt auf das menschliche Immunsystem und die Steuerung des Nervensystems hat. Eine Studie an der Klinik Den Haag kam zu dem Schluß, daß Praktizierende der „Wim-Hof-Methode“ resistenter auf Grippeviren reagieren, als dies bei einer nicht praktizierenden Vergleichsgruppe der Fall war. Darüber hinaus bekräftigen die Wissenschaftler, daß Kältebehandlungen in Form von Eisbädern und kalten Duschen eine immunaktivierende Wirkung haben und Hauterkrankungen, Gelenkbeschwerden, Allergien, Migräne und Schlafstörungen behandeln können. Zudem wird angenommen, daß die „Wim-Hof-Methode“ einen positiven Effekt auf verschiedenste Entzündungen im Körper hat, indem sie den Aufbau heilender Botenstoffe unterstützt.

Für alle Menschen mit einem Interesse für unorthodoxe Ansätze bietet sich zur aktuellen Jahreszeit die ideale Möglichkeit, den sich langsam zu Ende neigenden Winter auszunutzen, um einen kleinen Ausflug zum nächstgelegenen See zu machen und sein „inneres Feuer“ zu entfachen.

 www.wimhofmethod.com