© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Ländersache: Schleswig-Holstein
Der weiße Schwan sticht bald wieder in See
Peter Möller

Der weiße Schwan strahlt wieder. Noch liegt die Gorch Fock, das Segelschulschiff der Marine, auf dem Trockenen, doch glaubt man den Verantwortlichen der Lürssen-Werft im zwischen Bremen und Bremerhaven in Niedersachsen gelegenen Berne, wird der Traditionssegler demnächst wieder zu Wasser gelassen. Bereits in der vergangenen Woche wurde die Plane, unter der zuletzt an dem Schiffsrumpf gearbeitet wurde, wieder abgebaut und machte den Blick frei auf den strahlend weiß gestrichenen Rumpf. 

Die Takelage ist bereits wieder nahezu komplett, nur die Segel fehlen noch. In den kommenden Wochen wird das Schiff fertig ausgerüstet. Ende Mai, so der Zeitplan, soll die Gorch Fock, die ihren Heimathafen in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel hat, dann endlich wieder der Marine übergeben werden. 

Damit geht ein mehr als fünfjähriges Drama zu Ende, in dessen Verlauf mehrfach nicht sicher war, ob die Gorch Fock überhaupt jemals wieder Segel setzen würde. Was im Dezember 2015 mit einer auf zehn Millionen Euro veranschlagten Generalüberholung begann, entwickelte sich quasi zu einem Neubau, da im Zuge der Arbeiten immer mehr Korrosionsschäden an der stählernen Außenhaut der 1958 in Hamburg bei der Traditionswerft Blohm & Voss gebauten Bark entdeckt wurden. Am Ende wurden 90 Prozent des Materials ausgetauscht. 

Die Kosten für die Sanierung stiegen schließlich auf rund 135 Millionen Euro. Doch diese Kostenexplosion war nicht die einzige Unwägbarkeit, die die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mächtig in Bedrängnis brachte. Begleitet wurde das Restaurierungschaos von einem Korruptionsskandal, in den Angehörige der Werftführung und Mitarbeiter der Marine verwickelt waren. 

Am Ende verlor erst die Werftführung ihren Job, und dann mußte Anfang 2019 der Betrieb sogar Insolvenz anmelden. Schließlich nahm sich der Bundesrechnungshof der Sache an und kam zu dem Schluß: Eine Aufarbeitung der maroden Gorch Fock lohnt nicht, ein Neubau wäre besser. Doch die Marineführung konnte das Verteidigungsministerium davon überzeugen, trotzdem weiterzumachen. 

Die Verantwortlichen glauben fest daran, daß die Ausbildung auf dem Segelschulschiff den angehenden Marineoffizieren Werte vermittelt, die man nur unter den rauhen Bedingungen eines Segelschiffes erwerben kann. Sogar die traditionsreiche britische Royal Navy beneide die deutsche Marine um ihren Segler, berichtet der Kommandant der Gorch Fock, Kapitän zur See Nils Brandt. 

„Die See formt den Charakter und Zusammenhalt, und die Fahrt auf der Gorch Fock bringt immer schwierige Bedingungen mit sich: das Schlafen in Hängematten unter Deck, Dutzende Kameraden auf engstem Raum“, verdeutlicht Brandt, der noch in diesem Jahr mit den ersten Offiziersanwärtern auf Ausbildungsfahrt gehen will, in der Welt. 

Doch nicht nur in der Marine warten viele darauf, daß der weiße Schwan, der als Galionsfigur einen Albatros am Bug trägt, bald wieder seine Schwingen ausbreitet. Auch das Auswärtige Amt und die deutschen Diplomaten schätzen den Segler, der in fremden Häfen bei Empfängen an Bord eine gute Figur macht, als Botschafter Deutschlands in der Welt.