© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Neustart mit Hindernissen
Kosovo: Parlamentsverächter Albin Kurti wird Premierminister – oder auch nicht
Hans-Jürgen Georgi

In westlichen Medien wird der Wahlsieg des Anführers der „Bewegung Selbstbestimmung“, Albin Kurti, als „Wahlsieg für Linke “ oder als „politischer Neustart“  des Kosovo gefeiert. Tatsächlich konnte er bei der Parlamentswahl rund 48 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, doch die Gratulationen aus der EU oder von US-Präsident Joe Biden blieben aus. 

Denn es ist noch nicht klar, ob der Wahlsieger sein Amt als Premierminister antreten kann. Als ein unter Bewährung stehender Straftäter wurde er von der Wahlkommission von der Wählerliste gestrichen, und bisher ist es fraglich, ob er ein politisches Amt bekleiden darf. Es hängt davon ab, wann seine Bewährungszeit als abgelaufen gilt.

 Der 45jährige war 2018 wegen eines Tränengasangriffs auf das kosovarische Parlament verurteilt worden. Er hatte im Jahr 2015 die Abstimmung über einen Vertrag zu verhindern versucht, der den Serben im Kosovo gewisse Autonomierechte einräumte und ihnen die Bildung einer „Gemeinschaft der serbischen Gemeinden“ (ZSO) zusicherte. 

Der Vertrag war unter Schirmherrschaft der EU ausgehandelt worden und beinhaltet Verpflichtungen zur Bildung der ZSO, die bis heute seitens des Kosovo nicht erfüllt worden sind. Denn die Kosovaren fürchten, daß sich ein ähnlich selbstständiges Gebilde wie die Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina bildet. Nachdem die Ideen eines Gebietsaustausches zwischen Serbien und dem Kosovo im vergangenen Jahr am Widerstand der EU, namentlich Deutschlands, scheiterte, bestehen die Serben auf die Erfüllung dieses Teils des Brüsseler Abkommens, das heißt der Bildung der „Gemeinschaft der serbischen Gemeinden“. Kurti hatte dies immer strikt abgelehnt. Seine Ablehnung jeglicher Zugeständnisse an die Serben hat schon im vergangenen Jahr zum Sturz einer Regierung Kurti geführt. 

Sein Vorgänger, der wegen Kriegsverbrechen angeklagte Ramush Haradinaj hatte im November 2018 einen 100prozentigen Zoll auf alle Waren aus und nach Serbien erhoben. Dadurch entstand in der Region großer wirtschaftlicher Schaden, da dieses Quasi-Embargo auch einen Teil von Bosnien-Herzegowina, die Republika Srpska, betraf. Die Mahnungen der EU, diese Maßnahme aufzuheben, verhallten. Erst als die Regierung Kurti durch das Ausscheiden eines Koalitionspartners unter tätiger Mithilfe der USA zerbrach, wurde der 100-Prozent-Zoll im Juni 2020 aufgehoben. Daß Kurti diesen Zoll jetzt wieder einführt, ist eher unwahrscheinlich. Denn auch der neue US-Präsident Biden setzt hier, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen, die Politik seines Vorgängers Donald Trump fort. 

Anfang März 2020 vollzogen das Kosovo und Israel die gegenseitige diplomatische Anerkennung, wie es das Washingtoner Abkommen vorsah. Genau so ist es unter der Schirmherrschaft Trumps abgeschlossen worden und sieht als Sitz der kosovarischen Botschaft Jerusalem vor. Ein Punkt, der für die EU als unannehmbar gilt. Doch ihre Warnungen, daß dies ein Hindernis für das Kosovo „auf dem Weg in die EU“ sei, verhallen auch dieses Mal ungehört.