© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Wenn die Barbarei das Abendland befällt
Eine Bestandsaufnahme des Schriftstellers Hilaire Belloc über die Bedrohungen für das Christentum aus den zwanziger Jahren hat erstaunliche Aktualität
Werner Olles

Nach „Die großen Häresien. Der Kampf gegen Europa“ liegt nun Hilaire Bellocs „Gegen Mächte und Gewalten. Die alten und neuen Feinde der katholischen Kirche“ auf deutsch vor. Es ist dies eine Fortsetzung und Bekräftigung, indem Belloc die bedrohlichsten Angriffe auf den christlichen Glauben schildert. Auch diesmal erwartet den Leser keine theologische Abhandlung, vielmehr eine Analyse der verschiedenen geistigen Angriffe, denen die römisch-katholische Kirche in den letzten 2.000 Jahren ausgesetzt war. 

Belloc, strenggläubiger Katholik, glühender Europäer, radikaler Sozialkritiker und monarchistischer Reaktionär, nahe Paris 1870 zur Welt gekommen, in England aufgewachsen, näherte sich nach der Dreyfuß-Affäre den Ideen von Charles Maurras. Galt sein Angriff zunächst der protestantisch-liberalen und antikatholischen Sicht der englischen Reformation, übte er durch seine eigenen Schriften tiefen Einfluß auf die gebildeten Schichten des englischen Katholizismus aus. Gemeinsam mit seinem Freund Gilbert Keith Chesterton entwickelte er eine Philosophie, in der mittelalterliche Nostalgie und Ablehnung von Sozialismus und Kapitalismus miteinander verwoben waren. Beide kämpften für eine möglichst breite Streuung des Eigentums, wofür sie die Bezeichnung „Distributismus“ wählten. 

Stolz und Ignoranz im „Geist der Moderne“ 

Doch mit seiner Philosophie vom fröhlichen, lebens- und farbenfrohen Mittelalter gewann er in der Liberalen Partei, deren Abgeordneter er längere Zeit war, keine Mehrheit, und auch die englische Gesellschaft sah im Katholizismus nur ein fossiles Relikt der Vernunftfeindschaft und Düsternis jener Zeit. Immerhin begründete seine Zeit als Unterhausabgeordneter seine Verachtung des Parlamentarismus.

Unter seinem über 150 Titel umfassenden Werk gehört „Survivals and New Arrivals. Old and New Enemies of the Catholic Church“, das er 1929 seiner geliebten Tochter Eleanor widmete, zu den erhellendsten Gedanken über die „stets neuen Schlachten, die die katholische Kirche zu schlagen hat“, wie Robert Hickson in seiner Einführung schreibt. Obwohl Belloc sein Buch zu Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 publizierte, erweist es sich bis heute als scharfsinnige Darstellung dessen, was schon bald über das Abendland hereinbrechen sollte. Schonungslos greift er vom christlich-orthodoxen Standpunkt aus den modernen Geist an, und dies schließt den Einbruch der Barbarei in das heutige Europa bereits ein. Den falschen Propheten seiner Zeit stellt er die christliche Wahrheit gegenüber, während seine Lebensfreudigkeit vielleicht eine tragische und der modernen Welt gegenüber verzweifelnde Grundhaltung zu verbergen suchte. 

Belloc gehört zu den großen englischen Katholiken, die in ihrem Volk das Bewußtsein seiner besonderen Berufung als Vorkämpfer der Christenheit erwecken wollten. So bezeichnet er als einen der ständigen „Hauptfeinde der Kirche“ den „Geist der Moderne“, der sich durch „Stolz, Ignoranz und intellektuelle Trägheit“ auszeichne. 

Seine Untersuchung der Kampfphasen, beispielsweise durch den Calvinismus, den Islam oder die gnostische Freimaurerei, schließt sowohl die „heidnischen Piraten des Nordens und die Mongolenhorden aus dem Osten“, die „internationale Hochfinanz“ und den „internationalen Sozialismus“ oder das „oligarchische parlamentarische System, das merkwürdigerweise als Demokratie bezeichnet wird“, ein, in dem „das Raubgut in die Taschen der Politiker, Anwälte und deren Hintermänner“ wandert. 

Noch härtere Kritik gilt der mohammedanischen Religion, die eine Häresie wie der Arianismus oder die der Albigenser war, aber eine simplifizierte und fanatisierte Schwärmerei betrieb, deren Eroberungszug fast die gesamte christliche Kultur auflöste. Seine geradezu prophetische Sicht der Geschichte kommt dabei deutlich zum Ausdruck: „Wir werden mit nahezu absoluter Sicherheit in absehbarer Zeit wieder mit dem Islam rechnen müssen. Er wird sich erneut erheben, sollten wir unseren Glauben verlieren“. Sein Fazit: „Europa ist der Glaube, und der Glaube ist Europa“.

Hilaire Belloc: Gegen Mächte und Gewalten. Die alten und neuen Feinde der katholischen Kirche. Renovamen-Verlag, Bad Schmiedeberg 2021, broschiert, 239 Seiten, 16 Euro