© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Kabinenklatsch
Noch will sich kein Held outen
Ronald Berthold

In der Bundesliga geht es oben wie unten ziemlich spannend zu. Bayern und Leipzig liefern sich ein enges Duell um die Meisterschaft, und am Tabellenende sind sechs Mannschaften akut abstiegsbedroht. Die Fans fragen sich: Wen erwischt es außer Schalke?

Aber diese Spannung reicht nicht aus. Welcher Profi outet sich als erster als schwul? Das ist die Geschichte, die derzeit in den Redaktionen angesagt ist. Das am Kiosk und im Abo unter die Auflage von 50.000 Stück gefallene Magazin 11Freunde braucht dringend Aufmerksamkeit. So hat sich die Redaktion wohl an den spektakulären Stern-Titel von vor 50 Jahren erinnert. Dort outeten sich zahlreiche Frauen als Schwangerschafts-Abbrecherinnen: „Wir haben abgetrieben.“ Die 2021er Variante lautet: „Ihr könnt auf uns zählen!“ 800 Fußballer und Fußballerinnen wollen (oder müssen) damit via Zeitschrift sagen: Wer sich als homosexuell bekennt, kriegt unsere Solidarität. Doch wen geht das etwas an? Warum ist es so wichtig, zu wissen, wer was im Bett treibt? „Im Jahr 2021 gibt es keinen offen homosexuellen Fußballer in den deutschen Profiligen der Männer“, bedauert das Blatt.

Offenbar wollen viele Spieler einfach nur für ihren Verein auf Torejagd gehen.

Das Kalkül ging auf. Viele andere Medien berichteten gierig über die Aktion. Die 11Freunde sind in den Schlagzeilen. Und doch ist die Kampagne nur ein müder Abklatsch. Denn sie hat einen Schönheitsfehler: Anders als damals outete sich niemand. Im Prinzip ist das so, als ob Hunderte Kicker sagen, sie freuen sich, wenn Schalke Meister wird.

Das Framing heißt: Das Klima sei wahnsinnig homophob. Daher traut sich niemand zu sagen, daß er „queer“ sei. Doch stimmt das? Der zunehmend nervtötende Vielfaltskult mit regenbogenfarbenen Kapitänsbinden und Eckfahnen schreit ja förmlich nach einem Coming-out. 

Es passiert aber immer noch nichts. Dabei braucht die politisch-korrekte Meute doch endlich einen Helden, der gegen die toxische Männlichkeit auf Torejagd geht. Aber offenbar findet es dieser Held immer noch erotischer, schlicht für seine Vereinsfarben zu treffen.