© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/21 / 05. März 2021

Christof Kuhbandner. Der Corona-Kritiker sieht sich als Opfer der „Cancel Culture“.
Unter Druck
Michael Dienstbier

Wissenschaftler, die Corona leugnen“, diese reißerische Überschrift wählte der Deutschlandfunk vergangene Woche für einen Beitrag, der den Regensburger Hochschuldozenten Christof Kuhbandner landesweit an den Pranger stellt. Bisher hatte der Psychologie-Professor mit dem Look eines Langzeitstudenten allenfalls regional für Schlagzeilen gesorgt, wie, mit Blick auf die Coronamaßnahmen: „Warnung vor ‘kollektiver Angststörung’“ (Mittelbayerische Zeitung). Doch nun wandte sich eine Studentin direkt an den öffentlich-rechtlichen Sender: Im Online-Seminar zur experimentellen Kognitions-Psychologie habe ihr Lehrer das berühmte Milgram-Experiment von 1961, bei dem Probanden andere mit Elektroschocks traktieren sollten, mit der Corona-Lage verglichen, verlangt, methodische Mängel einer Studie des Virologen Christian Drosten nachzuweisen, den Journalisten Boris Reitschuster statt wissenschaftlicher Kapazitäten zitiert, und insgesamt versucht, die Studenten zu beeinflussen.

Pädagogen, die auf Einhaltung der Maskenpflicht an Schulen drängen, mit den eiskalten Autoritätspersonen des Milgram-Experiments zu vergleichen, gehört zugegebenermaßen in die Kategorie rhetorischer Vorschlaghammer. Dennoch führt der Fall, der, falls überhaupt bestenfalls vor dem Rektor der Universität Regensburg ausgetragen werden müßte, die Atmosphäre in Deutschland vor Augen. „Nur weil man Corona-Studien methodenkritisch hinterfragt, wird man hier (…) oder läuft Gefahr, öffentlich für seine Lehre diskreditiert zu werden“, verteidigte sich Kuhbandner im Deutschlandfunk. Der Bayer forschte bereits an der TU Dresden, einer Privatuni in Bremen und der LMU München, bevor er 2013 dem Ruf an den Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie in Regensburg folgte. Tatsächlich gehört er zu den frühesten Kritikern der Corona-Politik und ist Mitglied des von Sucharit Bhakdi mitgegründeten Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“, der den Stopp der auf Repression setzenden Pandemie-Politik fordert.

Was aber wohl auch Kuhbandner schockiert, ist die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Studentin offenbar unter Umgehung des universitären Beschwerdewegs an ein überregionales Medium wandte. Offensichtlich wurde hier das Weltbild einer Vertreterin der Generation „Safe Space“ erschüttert, die nie gelernt hat, anderen Meinungen ausgesetzt zu sein. Ebenso erschüttert die Bereitschaft des DLF, den Streit zwischen Studentin und Dozent deutschlandweit zum Skandal zu stilisieren. 

Während die Uni schweigt, häuften sich allerdings beim Sender die Hörerbeschwerden, und der Autor des Beitrags mußte einräumen, ein Corona-Leugner sei Kuhbandner tatsächlich nicht. Doch zu dessen Verdruß änderte die Redaktion den Titel „Wissenschaftler, die Corona leugnen“ bislang dennoch nicht.