© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/21 / 05. März 2021

Nichts wie raus
Länder und Wirtschaft: Die Forderungen nach Öffnungsperspektiven und einem Ende des Lockdowns werden immer lauter
Peter Möller

Die Stimmung kippt: Schon vor den neuerlichen Beratungen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten an diesem Mittwoch gab es in der regelmäßig vom Meinungsforschungsinstitut YouGov erhobenen Umfrage zur Akzeptanz der Maßnahmen im Kampf gegen Corona zum ersten Mal seit Beginn des harten Lockdowns Mitte Dezember eine Mehrheit für Lockerungen.

Demnach sind mittlerweile 43 Prozent der Befragten der Ansicht, daß die Einschränkungen nach dem Bund-Länder-Gipfel weiter gelockert werden sollten. Noch 26 Prozent sprachen sich für eine Beibehaltung der Reglementierungen aus, 17 Prozent forderten eine komplette Rückkehr zur Normalität. Dagegen sind neun Prozent für strengere Einschränkungen, fünf Prozent machten keine Angaben.

Damit hat sich die Stimmung deutlich eingetrübt. Zu Beginn des zweiten Lockdowns standen noch 73 Prozent hinter den Maßnahmen von Bund und Ländern, Anfang Januar waren es noch 65 Prozent. Doch bereits vor der Bund-Länder-Konferenz am 10. Februar bröckelte die Zustimmung und lag bei 50 Prozent – nun liegt der Anteil bei 35 Prozent.

Den Befragten, die sich in der aktuellen YouGov-Umfrage für Lockerungen aussprechen, sind vor allem die Öffnung der Geschäfte (49 Prozent) und Restaurants (42 Prozent) sowie Lockerungen bei den Kontaktregeln (43 Prozent) wichtig. Die Öffnung der Schulen ist 32 Prozent der Lockerungs-Befürworter besonders wichtig. Unterdessen sind auch die Beliebtheitswerte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingebrochen. Laut einer Insa-Umfrage äußerten sich 56 Prozent der Befragten „eher unzufrieden“ mit dessen Arbeit, zufrieden sind 28 Prozent.

Auch der Druck aus der Wirtschaft wächst. In der vergangenen Woche machte der Einzelhandel mit ganzseitigen Anzeigen in Tageszeitungen unter dem Motto „Rettet unsere Läden jetzt“ auf die zunehmend verzweifelte Lage vieler Geschäfte aufmerksam. Aus anderen Branchen, nicht zuletzt aus der Gastronomie und dem Hotelgewerbe, kommen immer dringlichere Forderungen nach Lockerungen beziehungsweise zumindest Öffnungsperspektiven.

Die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit dem andauernden Lockdown und das Rumoren der Wirtschaft schlägt sich immer häufiger in Äußerungen führender Politiker in Berlin und den Ländern nieder. So sprachen sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und die Wirtschaftsminister der Länder bereits Anfang der Woche für branchenübergreifende Öffnungsschritte bereits im März aus. In einem mit den Wirtschaftsverbänden abgestimmten Öffnungskonzept rückten sie davon ab, die Frage von Lockerungen ausschließlich an bundesweiten Inzidenzwerten festzumachen. Altmaier hatte als Maßstab stattdessen unter anderem die Arbeitsfähigkeit der Gesundheitsämter oder die Auslastung der Intensivbetten als Kriterium zur Debatte gestellt.

Schon vor der Bund-Länder-Runde rückte die Frage der Impfungen verstärkt in den Fokus. Noch immer liegt die Impfquote in Deutschland deutlich hinter Ländern wie Israel oder Großbritannien. Gleichzeitig wachsen die Lagerbestände – mit anderen Worten: Nach der Impfstoff-Knappheit kommen die zuständigen Stellen mit dem Impfen mittlerweile nicht mehr hinterher. Mit Blick auf Spahn spricht mancher in Berlin von einem neuerlichen Impfdesaster.

Auch der verstärkte Einsatz von Schnelltests gilt vielen als Voraussetzung für Lockerungen. So schlug das Gesundheitsministerium zwei kostenlose Schnelltests pro Woche für alle Bürger vor. Der massenhafte Einsatz könnte nach Ansicht von Experten tatsächlich ein guter Weg aus dem harten Lockdown sein.