© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/21 / 05. März 2021

„Mir ging es immer schlechter“
Gender-Ideologie: Warum sich ein junger Transsexueller als Opfer einer mächtigen Lobby sieht / Teil 2 der Serie
Hinrich Rohbohm

Er hatte sich eigentlich schon viel früher vorgenommen, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Aber da waren diese Zweifel, die Angst. Angst davor, in seinem persönlichen Umfeld auf Ablehnung zu stoßen, sogar als Verräter zu gelten. Verräter? „Ja, Verräter“, sagt Dustin. „So werden das viele sehen.“

Wir treffen Dustin an den St.Pauli-Landungsbrücken in Hamburg. Er ist mit seinem Bruder gekommen, Marc. Im wirklichen Leben haben beide andere Namen. Dustins Blick schweift über die Elbe, die in den Hafen einlaufenden Schiffe verfolgend. Sein Leben ist in den letzten Jahren ähnlich einem Schiff in unruhigen Gewässern verlaufen. Voller Zweifel, welchen Hafen er ansteuern soll oder ob es nicht besser wäre, sich wieder Richtung Heimat zu begeben.

Der 15jährige ist ein Transsexueller. Ein Jahr ist es her, da wollte er noch ein Mädchen sein. „Angefangen hatte das schon im Kindesalter, so mit acht oder neun“, erinnert er sich. Im Lauf der Jahre verstärkte sich das Bedürfnis. „Ich sagte mir, irgend etwas stimmt mit mir nicht.“ Als er zwölf Jahre alt ist, vertraut er sich seinen Eltern an. Die hätten „sehr tolerant“ auf seinen Wunsch reagiert. „Im nachhinein vielleicht zu tolerant“, meint Dustin. Eigentlich habe er Hilfe benötigt, Orientierung. Stattdessen bekommt er zu hören, daß sein Bedürfnis ganz normal sei, er sein eigenes Leben bestimmen müsse. Die Antwort reicht ihm nicht, macht ihn nur noch unsicherer.

Hormonspritzen, die „immer so brannten“

In der Schule wendet er sich an seinen Vertrauenslehrer. „Der sagte mir, daß mein Verhalten vollkommen okay sei und es viele Menschen gebe, die ganz ähnlich empfinden.“ Er stöbert im Internet, stößt auf Gleichgesinnte, trifft sich mit ihnen, tauscht sich aus und findet neue Freunde im Transsexuellen-Milieu. Seine neuen Freunde erzählen ihm viel über Pubertätsblocker und Hormonpräparate, über operative Eingriffe zur Geschlechtsumwandlung und psychische Beratungen. Und darüber, daß die Krankenkassen das ja zumeist alles bezahlen würden.

„Alle haben immer nur gesagt, das ist Teil meiner Persönlichkeit. Aber niemand war da, der mir in dieser Phase einmal ‘Halt, stopp‘ zugerufen hätte.“ Im Gegenteil: „Alle ermunterten mich, es durchzuziehen. Ich glaube, das gab schließlich den Ausschlag, daß ich ein Mädchen sein wollte.“ Seine Eltern gehen mit ihm zum Arzt. Ohne Probleme erhält er sogenannte Pubertätsblocker.„Meine Eltern hätten mich davon abhalten sollen“, sagt er heute. Die aber kämen selbst aus einem grün-alternativen Milieu, hätten immer nur besonders fortschrittlich und tolerant sein wollen. „Und unter den Transsexuellen bestärkt man sich ja auch noch gegenseitig.“

Mit den Pubertätsblockern begannen bei Dustin die Stimmungsschwankungen, die plötzlich aus ihm herausbrechenden Emotionen. „Manchmal mußte ich ganz heftig heulen und wußte selbst gar nicht warum.“ Hinzu kamen starke Kopfschmerzen und Depressionen. Auch da hatte man ihm noch stets gesagt, daß sei ganz normal. In der Schule, beim Arzt. Beim Therapeuten. Den Eltern, und den transsexuellen Freunden. Später folgen Hormonspritzen, „die immer so brannten“, beschreibt Dustin seine damalige Tortur. „Mir ging es immer schlechter und ich war voller Selbstzweifel. Bin das wirklich ich?“ Immer noch sagten alle, es sei okay und ganz normal. 

„Aber für mich war das überhaupt nicht mehr normal.“ Suizidgedanken kommen hoch. Schließlich vertraut er sich seinem Bruder an. Weil er der einzige Mensch gewesen sei, der Bedenken geäußert hatte. „Ihm wurden immer nur die positiven Seiten einer Geschlechtsumwandlung aufgezeigt und wie toll es doch sei, daß er jetzt zu seiner gefühlten Identität steht. Ãœber die Schattenseiten wird viel zu wenig geredet“, bemängelt sein Bruder Marc. Auch in den Medien. 

„Da werden Coming-outs gefeiert und Kritik an Transsexualität als intolerant und diskriminierend verurteilt. Aber viele Menschen brauchen ganz einfach nur seelische Hilfe.“ Auch deshalb sei die 2018 erfolgte Entscheidung der Weltgesundheitsorgansiation (WHO), Transsexualität von der Liste psychischer Störungen zu nehmen, so fatal. Kranke würden für normal erklärt. Stattdessen würden nun Hilfen, die naturgegebene Geschlechterrolle anzunehmen als unzulässiger Eingriff in die persönliche Identitätsfindung diskriminiert.

Der 23jährige Marc ist für Dustin so etwas wie ein Rettungsanker geworden. „Dustin ist da in etwas reingeschoben worden, wofür er noch gar nicht bereit war. Und er hat’s gemacht, weil es praktisch nie Widerspruch gab.“ Niemand habe ihn zwar gedrängt. „Es war aber immer so ein sanftes Hinschieben in Richtung Transsexualtität. Und das hat funktioniert, weil Dustin noch unsicher und labil ist.“ 

Und Marc klagt an: „Wenn in den Medien über Transgender berichtet wird, stehen meist nur Vielfalt und Toleranz im Vordergrund. Über die psychischen und seelischen Gefahren gerade für jene, die noch minderjährig sind, hört man nur wenig.“ Wer da Kritik übe, werde von der „Gender-Szene oftmals übel niedergemacht und sofort als intolerant gebrandmarkt.“

Tatsächlich bemüht sich die Transgender-Lobby schon seit Jahren, kontinuierlich rechtliche und medizinische Hürden einer Geschlechtsumwandlung abzubauen. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Ohne Zustimmung der Eltern und ohne medizinisches Gutachten und eine notwendige Eingewöhnungsphase sollen Minderjährige in die Lage versetzt werden, unter dem Deckmantel der sexuellen Selbstbestimmung den Wechsel des eigenen Geschlechts vornehmen zu können. Nicht zuletzt die sogenannten Kinderrechte eröffnen hierfür fragwürdige Möglichkeiten von chirurgischen Eingriffen in einer Phase, in der die Persönlichkeit eines Menschen noch nicht ausgereift ist. „Über die Folgen und Risiken solcher medizinischer Eingriffe hört man in unseren Medien fast gar nichts“, sagt Marc.

Stattdessen werden selbst schon in Kindergärten und später in den Schulen von Transgender-Initiativen erarbeitete Informationsbroschüren erarbeitet, die den Geschlechterwechsel als Normalität anpreisen. Im Januar 2018 hatte der Berliner Senat eine Broschüre für Erzieher in Kindertagesstätten in Umlauf gebracht, in der bereits kleinen Kindern sexuelle Spielarten nähergebracht werden. Ihr Titel: „Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter, und Sophie heißt jetzt Ben.“ Später folgen sogenannte Beratungsteams von Transgender-Vereinen, die in Schulen nicht selten die Gelegenheit erhalten, für den Geschlechterwechsel die Werbetrommel zu rühren. Die Folgen einer lebenslangen Hormonbehandlung und die Torturen ihrer Opfer nach operativen Eingriffen bleiben zumeist unerwähnt, weiß Dustin aus eigener Erfahrung. „Wäre Marc nicht gewesen, bin ich mir nicht sicher, ob ich jetzt noch leben würde“, erzählt er nun. 

Es war sein großer Bruder gewesen, der ihn aus einem Milieu herausholte, in dem sich Dustin zunehmend unwohl fühlte und das ihn zutiefst verunsichert hatte. Er hat sich nun vom Blick auf die Elbe und die Schiffe verabschiedet, geht mit seinem Bruder die Treppe von den Anlegestellen hoch. Dustin hat seinen Heimathafen wiedergefunden.

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe: Das lukrative Geschäft der Transgender-Lobby

Fotos: Traurige Jugendliche (Symbolbild): Viele brauchen ganz einfach nur seelische Hilfe; Transvestiten beim Christopher-Street-Day: Alles bunt und lustig; Broschüre aus Berlin