© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/21 / 05. März 2021

Prüffirma EY zieht Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal
Fragwürdige Talente
Martin Krüger

Fabio De Masi gehört zu den wenigen Linken, die sachorientierte Detailarbeit mit Klartext verbinden: „Die Probleme bei EY könnten sich zum Arthur-Andersen-Moment auswachsen“, warnte der Bundestagsabgeordnete anläßlich der jüngsten Wende im Wirecard-Skandal (JF 4/21). Ob sich einige Wirtschaftsprüfer wirklich strafbar gemacht haben, kann der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) natürlich nicht entscheiden. Aber wegen der Verstrickung in den texanischen Enron-Bilanzskandal wurden 2002 aus fünf globalen Prüfungsfirmen die heutigen „Big Four“. Nicht alle Arthur-Andersen-Mitarbeiter konnten sich zur Konkurrenz retten.

Ob die Ernst & Young-Prüfer den Milliardenbetrug bei Wirecard nicht erkennen konnten oder wollten, werden demnächst Gerichte entscheiden. Der bisherige Deutschland-Chef Hubert Barth klebte sogar noch acht Monate nach dem Wirecard-GAU an seinem gut dotierten EY-Geschäftsführersessel und genoß das Promi-Leben am Starnberger See. Doch seinen Anspruch, „die richtigen Fragen zu stellen“, hat er nicht erfüllt. Doch erst jetzt sollen Henrik Ahlers und der Franzose Jean-Yves Jégourel die deutsche EY-Führung übernehmen und die „regionalen Leitungsstrukturen in Europa in den kommenden Monaten anpassen“, um „die besten Talente“ für die EY-Mandanten einsetzen zu können. Donnerwetter. Und die erfahrenen Ex-Minister Theo Waigel (CSU, 81) und Brigitte Zypries (SPD, 67) sollen nun EY „coachen“.

PUA-Mitglied Florian Toncar (FDP) ist zu Recht skeptisch: Als Justizministerin war Zypries für die Regulierung der Branche verantwortlich, die Finanzminister Olaf Scholz als „Ursache des Desasters“ ausmacht. Ob seine Sozialdemokraten wirklich „ein viel engeres Verhältnis zu EY haben, als es sich nach außen darstellt“, wie Toncar mutmaßt, ist unklar. Aber wenn sich zwei Staatssekretäre von Scholz noch nach der Wirecard-Pleite von EY haben „coachen“ lassen, dann wirft das brisante Fragen auf.