© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/21 / 05. März 2021

Getrieben und gespalten
US-Medienlandschaft: Veränderungen sind in der Post-Trump-Ära überall spürbar – links wie rechts
Björn Harms

Für den US-Sender „Fox News“ wird eines immer deutlicher: das Ende der Präsidentschaft von Donald Trump ist auch für den Nachrichtensender das Ende eines goldenen Zeitalters. Die Einschaltquoten stiegen von Jahr zu Jahr auf ein Rekordniveau. Nun ist plötzlich alles anders: Im Januar verlor „Fox News“ vorübergehend seinen Spitzenplatz als meistgesehener Nachrichtensender der USA an CNN. Selbst für den zweiten Platz reichte es nicht mehr, da MSNBC im vergangenen Monat ebenfalls durchschnittlich mehr Zuschauer hatte.

Wirkliche Anzeichen dafür, daß „Fox News“ seine programmatische Ausrichtung grundlegend ändert, gibt es jedoch nicht. Zwar wurde kürzlich die Sendung von Lou Dobbs abgesetzt, der als einer der lautstärksten Unterstützer des ehemaligen US-Präsidenten galt. Doch die politische Aussagekraft ist gering, da kurz zuvor mit Chris Stirewalt auch ein sogenannter „Never Trumper“ entlassen worden war.

Klar ist: Der Sender wird von seinen Zuschauern getrieben. Er steht unter Druck von zwei Fronten: Zum einen will „Fox News“ der Öffentlichkeit und seinen Geldgebern gegenüber beweisen, unabhängig vom Ex-Präsidenten zu sein und seiner Agenda nicht blind zu folgen. Zum anderen aber versucht man die loyale Anhängerschaft Trumps nicht gänzlich zu verschrecken. Denn tatsächlich wendet sich die wohl größte Zuschauergruppe zunehmend ab und bezieht ihre Informationen aus alternativen Kanälen.

Im Mainstream kämpfen Linke gegen Linke

In einer Umfrage für die Suffolk University und USA Today nannten vergangene Woche nur 34 Prozent der Trump-Wähler „Fox News“ als ihre „vertrauenswürdigste Nachrichtenquelle“ – ein Rückgang von 24 Prozentpunkten gegenüber den 58 Prozent der Trump-Anhänger, die das Netzwerk im Oktober 2016 favorisierten. Konkurrenz kommt durch die konservativen Sender „Newsmax“ und „One America News“, die an Popularität gewinnen – und bei denen offen über Betrug bei der Präsidentschaftswahl gesprochen wurde (JF 2/21). „Fox News“ hingegen widersprach in mehreren Sendungen einer möglichen Manipulation.

Sogar „Rechtsaußen“ Tucker Carlson, der bei den Zusehern wohl beliebteste politische Kommentator bei „Fox News“, hatte sich in seiner Sendung zum Thema Betrug bei der Präsidentschaftswahl merklich zurückgehalten. Seinen Einschaltquoten hat das kaum geschadet. Nun soll vor allem er die Kohlen aus dem Feuer holen. Wie vergangene Woche bekannt wurde, hat der 51jährige kürzlich erneut einen mehrjährigen Vertrag beim Fox-Konzern unterschrieben, der auch neue Podcast-Formate beeinhalt.

Nicht nur der TV-Markt, auch das US-Zeitungswesen ist derzeit massiven Veränderungen unterworfen. Betrug die Auflage der Tageszeitungen im Jahr 1999 noch knapp 56 Millionen Exemplare, hat sie sich seitdem mehr als halbiert. Doch nicht nur die Verkäufe gehen zurück. Auch innerhalb der Redaktionen macht sich ein Wandel bemerkbar – vor allem auf der Linken. 

Exemplarisch hierfür ist ein jüngster „Skandal“ bei der New York Times. Der Wissenschaftsjournalist Donald McNeil, seit 1976 bei der NYT angestellt, war 2019 mit einer Gruppe von Studenten nach Peru gereist. Bei einem Abendessen kam es zu einem Gespräch über rassistische Sprache und Stereotype. Die Diskutanten fragen sich, welche Konsequenzen es haben sollte, wenn jemand das Wort „Nigger“ verwendet. In der Debatte benutzte McNeil das Tabuwort selbst, allerdings als Zitat. Laut einem anwesenden Studenten soll McNeil es zusätzlich als „frustrierend“ bezeichnet haben, daß „die schwarzen Amerikaner ständig dem System die Schuld geben“. Der Rassismus sei vorbei, „es gibt nichts mehr gegen sie – sie können es aus dem Ghetto schaffen, wenn sie wollen“. 

Obwohl NYT-Chefredakteur Dean Baquet nach Bekanntwerden des Gesprächs zunächst nicht eingriff, weil McNeil offensichtlich nicht von einer bösartigen Absicht getrieben war, forderten 150 Mitarbeiter der Zeitung in einem Protestbrief Konsequenzen. Baquet gab nach und sprach die Entlassung aus.

McNeils Fall ist beispielhaft für die Hinwendung einer neuen Generation zum „woken“ Journalismus. Die Meinungsredakteurin Bari Weiss hatte im Juli 2020 die New York Times verlassen, weil sie das Arbeitsklima nicht mehr aushielt. Die Wahrheit sei kein Prozeß der kollektiven Entdeckung mehr, „sondern eine Orthodoxie, die bereits einigen wenigen Erleuchteten in der Redaktion bekannt ist, deren Aufgabe es ist, alle anderen zu informieren“, schrieb sie in ihrer öffentlich gemachten Kündigung. In diesem Zusammenhang sprach sie von einem Bürgerkrieg innerhalb der New York Times. Dabei konkurrierten die jungen „woken“ Journalisten mit den älteren Semestern, die aus der linksliberalen Ecke kämen (JF 26/20). Der Kampf sei derselbe, der in anderen Publikationen und Unternehmen im ganzen Land tobe  – und der übrigens auch in Deutschland in Medien wie der Zeit, dem Spiegel oder der taz eingesetzt hat (JF 27/20). 

„Die Dynamik ist immer die gleiche“, erklärte Weiss. Die Älteren würden denken, man stehe auf der gleichen (linken) Seite, hätten aber den sogenannten „Safetyism“ unterschätzt. Gemeint ist das Bedürfnis der jungen Journalisten, sich emotional sicher zu fühlen und jegliche Diskriminierung möglichst vorab auszuschalten. Dieses Verlangen stünde in der „woken“ Gedankenwelt über einem fundamentalen Grundrecht wie der Redefreiheit. Ideen, die bestimmte Bevölkerungsgruppen auch nur provozieren könnten, dürften nicht publiziert werden. Die Konsequenz: Entweder, die älteren Journalisten unterwerfen sich dieser Deutungshoheit oder sie laufen Gefahr, mittels Schmutzkampagnen aus dem Blatt gedrängt zu werden – wie eben im Fall von McNeil. Passend dazu explodierte in den vergangenen Jahren quer durch alle Mainstreamblätter die Nutzung von Begriffen wie „Social Justice“, „White Privilege“ oder „Rassismus“ in der Berichterstattung.

Immer mehr Journalisten wie Bari Weiss versuchen sich deshalb auf eigene Füße zu stellen, um „Cancel Culture“ und „Wokeness“ zu umgehen. Getreu dem Motto: Raus aus den veralteten Institutionen, die ohnehin Leser verlieren. Unabhängig werden, um frei denken und schreiben zu können. Das Mittel der Wahl ist mittlerweile häufig der 2017 gegründete Dienst „Substack“, wo Weiss sich im Januar ihren eigenen Blog eingerichtet hat. Auch der Pulitzerpreisträger Glenn Greenwald, der gemeinsam mit Edward Snowden auf dem Rechercheportal „The Intercept“ den NSA-Skandal aufgedeckt hatte, hat sich hier auf unabhängige Pfade begeben. Seinen Ausstieg von „The Intercept“, begründete der liberale Enthüllungsjournalist mit dem Versuch des Portals einen von ihm angefertigten kritischen Artikel über Joe Biden zu zensieren. Am heutigen Mainstream-Journalismus, den er als eine „unheilige Mischung aus Grundschul-Flurwächter-Gequatsche und stasimäßiger Bürgerüberwachung“ beschreibt, läßt Greenwald jedenfalls kein gutes Haar: „Er ist halb pubertär und halb bösartig. Seine primären Ziele sind Kontrolle, Zensur und die Zerstörung von Reputation aus Gründen von Spaß und Macht. Obwohl sein Epizentrum die größten Medienkonzerne sind, ist er die genaue Antithese zum wirklichen Journalismus.“