© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Ländersache: Sachsen
Da geht das Messer in der Tasche auf
Paul Leonhard

Die Leipziger Grünen haben Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ein Ultimatum gestellt: Liegen bis zum 15. März keine Evaluierungsergebnisse vor, soll die Waffenverbotszone im Osten der Messestadt aufgehoben werden. Linke, SPD und Freibeuter-Fraktion klatschen dem Vorstoß Beifall. Eine Mehrheit von 40 Stadträten stimmte  dieser letzten Frist zu.

Eingerichtet wurde diese Zone, in der das Führen von Waffen und gefährlichen Gegenständen im November 2018. So sollte die Sicherheit im Karree um die Eisenbahnstraße erhöht werden, in dem sich vor allem Migranten angesiedelt haben, und das immer wieder durch schwere Straftaten auffällt. Für die autonome Szene und ihre Speerspitzen im Stadtrat ein „erhaltenswertes Milieu“, wie es in einem Ratsbeschluß über „eine Soziale Erhaltungssatzung in und um die Eisenbahnstraße“ vom Juni heißt. 

Dieses Milieu wird durch die Waffenverbote verunsichert, die „vor allem ein Instrument zur Stigmatisierung eines Stadtviertels“ seien, so die Landtagsabgeordnete und Stadträtin Juliane Nagel (Linke): „Sie leistet racial profiling Vorschub und schafft rechtliche und gesellschaftliche Unsicherheit.“ Die Krux sei, daß der „größte Teil krimineller Handlungen von jungen, männlichen Bewohnern mit ausländischen Wurzeln, politisch korrekt ausgedrückt, begangen wird“, hält Henry Hufenreuter entgegen, der einst für die CDU im Beirat des Stadtbezirks Ost saß. 

Ein positives Fazit zieht der neue Leipziger Polizeipräsident René Demmler. Durch die expliziten Verbote, Waffen zu tragen, hätten sich die Handlungsmöglichkeiten für die Polizei verbessert: „Wir wollen da nicht den normalen Bürger gängeln, aber das Gefährdungspotential und die Menge der Einbringungen von Waffen werden durch die Überwachung natürlich gemindert.“ 

Zwischen November 2018 und September 2020 wurden in ihr bei 318 Einsätzen 4.443 Personen kontrolliert und dabei 315 Gegenstände beschlagnahmt. Von einer „reinen Symbolpolitik“ spricht Frieder Bickhardt von der Initiative „Unofficial.Pictures“. Die Waffenverbotszone löse keine Probleme, sondern verdränge sie. In der Eisenbahnstraße werde deswegen nicht weniger gedealt, „selbst wenn die meisten Dealer einfach in andere Viertel gegangen“ seien. 

Besonders stört den Aktivisten, daß „in der Regel migrantische oder nicht-weiße Menschen verdachtsunabhängig von der Polizei kontrolliert“ würden. Das Besondere an der Leipziger Waffenverbotszone, der einzigen in Sachsen, ist, daß ihre Wirkung wissenschaftlich begleitet wird. Beauftragt wurde damit die sächsische Polizeihochschule in Rothenburg, die dafür neben Daten der Kriminalstatistik auch 3.000 im Bereich der Eisenbahnstraße lebende Personen zu ihren Erfahrungen auf deutsch, arabisch, türkisch und russisch befragt hat. 

Unabhängig vom Ergebnis der Studie, das im Frühjahr vorgelegt wird, plädiert die Freibeuter-Fraktion für eine Aufhebung der Waffenverbotszone bis zum 30. Juni. Daß die Eisenbahnstraße „ein gefährtlicher Ort“ ist, sei ein Mythos, der aufgelöst werden müsse, sekundiert Daniel Schade, künstlerischer Leiter des Ost-Passage-Theaters im Viertel. 

Dagegen berichtete die Morgenpost kürzlich von einer Auseinandersetzung zwischen Nordafrikanern auf der Eisenbahnstraße, bei der ein Schuß fiel.