© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Ein Bremer Wirecard
Finanzmarkt: Deutsch-britische Greensill Bank AG geschlossen / Riskante Jagd nach den kleinen Zinsvorteilen
Martin Krüger

Was tun mit 20.000 oder 50.000 Euro, die bald gebraucht werden? Aufs Tages- oder Festgeldkonto und dafür ein wenig Zinsen kassieren? Das war einmal, vor der Euro- und Corona-Krise. Allein voriges Jahr haben 200 Banken und Sparkassen „Verwahrentgelte“ oder Negativzinsen auf Guthaben eingeführt. Selbst bei den Direktbanken gibt es in der Regel Nullzinsen, nur unbekannte Institute aus Griechenland, Italien, Malta oder Bulgarien bieten überhaupt noch Zinsen – aber wer traut denen?

Die Greensill Bank warb mit 1,35 Prozent Zinsen für fünf Jahre Festgeld, Gebührenfreiheit und hoher Sicherheit – aber auch einer langen Historie: Das private Kreditinstitut wurde 1927 als Norddeutsche Finanzierungs-AG in Bremen gegründet. Ab 1956 in Besitz der Sparkasse und der Bremer Landesbank folgten ab 1988 zahlreiche Eigentümerwechsel. 2014 wurde die NF Bank in die Greensill Bank AG umfirmiert, aber der Banksitz blieb in der Hansestadt.

Doch am 1. März gab die Zürcher Credit Suisse bekannt, daß sie Fonds im Volumen von zehn Milliarden Dollar einfriert. Tags darauf begann eine 700 Millionen Euro schwere Fondsabwicklung der Schweizer GAM Holding. Am 3. März ordnete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Schließung der Greensill Bank für den Kundenverkehr (Moratorium gemäß Paragraph 46 Kreditwesengesetz) an. Zudem wurde Strafanzeige wegen des Verdachts auf Bilanzbetrug gestellt. Eine Sonderprüfung zeigte, daß das Kreditinstitut „nicht in der Lage ist, den Nachweis über die Existenz von bilanzierten Forderungen zu erbringen“.

Das klingt nach Wirecard (JF 10/21), ein Schaden von 3,1 Milliarden Euro könnte bei der Einlagensicherung hängenbleiben. Die 2011 von dem Australier Lex Greensill gegründete Greensill Capital ist ein Finanzdienstleister. Spezialgebiet war die Vorfinanzierung. Greensill kaufte Lieferanten offene Rechnungen ab und bündelte sie in Fonds. Mit den Fondserlösen bezahlte Greensill die Lieferanten mit einem Abschlag sofort. Gewinn entstand, wenn die Schuldner die Rechnungen später voll bezahlten – ein riskantes Geschäftsmodell. Die britische Firma beschäftigt rund 800 Mitarbeiter in Niederlassungen in New York, Chicago, Miami, Frankfurt, Bremen und Sydney. 2019 sollen sich die Kundengelder auf 143 Milliarden Dollar summiert haben. Und was war dabei der Geschäftszweck der Bremer Greensill Bank? Für das Stammhaus Geld auftreiben und deren Garantiegeber sein.

Pleiten von Finanzinstituten sind keine Seltenheit

Geholfen haben dabei vermittelnde Internetplattformen wie Zinspilot oder Check24. Allein über „Weltsparen“ hätten 15.000 Kunden ein Konto eröffnet. Hinter letzterem steht das 2014 gegründete „Startup“ Raisin – und die Berliner Firma verweist auf das Magazin Finanztest, die BaFin und die Wirtschaftsprüfer: „Wie soll eine umfangreiche Prüfung von unserer Seite denn in der Praxis bitte schön funktionieren? Dafür fehlen uns natürlicherweise die Mittel und Instrumente“, zitierte das Portal Finanz-Szene.de Raisin-Gründer Tamaz Georgadze. „Wenn aus dem ‘Fall Greensill’ jetzt ein Fintech-Fall gemacht wird, dann ist das absurd.“

Daß Bloomberg kritisch über Greensill berichtet habe, wisse er. Aber „da ging es um Konzentrationsrisiken, nicht um Bilanzfälschung“, meinte der 42jährige Ökonom und Jurist, der einst als Hochbegabter mit Promotionsstipendium vom georgischem Tiflis an die Uni Gießen kam, dann zehn Jahre bei McKinsey arbeitete. Bei „Weltsparen“ hat bislang noch kein Kleinanleger Geld verloren – weder bei der bulgarischen Fibank noch bei der portugiesischen Banco Espírito Santo (BES). Denn das Geld werde nur bei Banken im EU-Bereich angelegt, die eine Einlagensicherung besitzen. Die Greensill-Privatkunden müssen sich daher nicht sorgen.

Dagegen müssen sich wohl vier Dutzend Kommunen auf echte Verluste einstellen. Der Stadt Monheim am Rhein könnten 38 Millionen Euro flötengehen. Osnabrück bestätigt die Anlage von 14 Millionen Euro. Seit der Lehman-Brothers- und der isländischen Kaupþing-Pleite 2008 mußte die BaFin schon mehrmals einschreiten: So wurden die Düsseldorfer Noa Bank (2010), die Oberhausener FXdirekt Bank (2012) und die Münchner Dero Bank (2018) geschlossen. Doch nur bei der Frankfurter Maple Bank (2016) standen mehrere Milliarden Euro im Feuer.

Ursächlich für die Greensill-Schieflage dürften zu hohe Risiken in den Fonds sein. Viele der in den Fonds gebündelten Forderungen verloren an Wert, da die Schuldner wegen der Corona-Krise zahlungsunfähig wurden. Das Geldhaus hat anscheinend auch Kredite an ein britisch-indisches Stahlimperium und ihre strauchelnde Mutter Greensill Capital vergeben. Doch während im Fall Wirecard „nur“ Aktionäre, Mitarbeiter und Banken betroffen sind, die ihren Einsatz wohl fast völlig abschreiben müssen, gibt es im Fall Greensill einen weiteren Betroffenen – den privaten Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken. Und der habe die BaFin bereits Anfang 2020 auf die Probleme bei Greensill hingewiesen.

Die Zinsplattformen verlassen sich voll auf solche Fonds: Geht eine Partner-Bank pleite und tritt der Entschädigungsfall ein, kümmert das Kleinsparer und Fintechs wenig. Ihr Geld erstattet die Einlagensicherung. Der Zinsvorteil wurde eingesackt, das Risiko abgegeben. Die Fintechs nehmen die Bank von ihrer Plattform und behalten die Provisionen. Dumm dran sind nur die Banken, die brav in die Einlagensicherung eingezahlt haben – und Kunden. Denn die nächste Beitragsanhebung dürfte auf sie abgewälzt werden.

www.check24.de

www.weltsparen.de

www.zinspilot.de





Privater Einlagensicherungsfonds

In der Corona-Krise stieg das private Geldvermögen in Deutschland um 400 Millionen auf 6,8 Billionen Euro. Die Summe setzt sich zusammen aus Bargeld, Bankeinlagen, Aktien, Zinspapiere, Fondsanteilen sowie aus Versicherungsansprüchen. Etwa 600 Milliarden Euro davon waren Spareinlagen, die durch EU-Regelungen und das deutsche Einlagensicherungsgesetz garantiert werden. Abgesichert sind pro Kunde und Bank 100.000 Euro. Das gilt für Filialen aus den EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen, nicht aber der Schweiz. Hinzu kommen die Sicherungssysteme des Bundesverbandes Öffentlicher Banken, der Sparkassen, der Volks- und Raiffeisenbanken sowie der Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) – und der ist für die Greensill Bank zuständig. Der BdB-Fonds finanziert sich durch eine jährliche Umlage der Privatbanken und mögliche Sonderzahlungen. Seit seiner Gründung 1976 konnten alle Kundenansprüche von Pleitebanken vollumfänglich erfüllt werden. (kü)

einlagensicherungsfonds.de