© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Eine Partei der Anderen
Analysen zum langen Abschied der SPD
Oliver Busch

Für eine Partei, die keine echte Alternative zum vorherrschenden schwarz-grünen Zeitgeist zu bieten hat, ist der Abstieg in die politische Bedeutungslosigkeit unvermeidlich. Zwecks exemplarischer Untermauerung dieser These hat sich der nicht nur akustisch in Hörweite zum Kanzleramt tätige Staatsrechtler Christoph Möllers (HU Berlin) die jüngere Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschland ausgesucht (Merkur, 2/2021). 

Der „lange Abschied der SPD“, kündigt sich für Möllers bereits 2005 mit der Wahlniederlage Gerhard Schröders an, ihres wohl letzten Bundeskanzlers. Nur die Beteiligung an drei von vier Merkel-Kabinetten machte daraus eine Agonie in Zeitlupe. Heute blickt die älteste der deutschen Parteien, der Meinungsforscher für die nächste Bundestagswahl einen Stimmenanteil um die 13 Prozent vorhersagen, fast schon in den Abgrund der Einstelligkeit.

Wie konnte es so weit kommen? Im Bann einer nicht mehr so „Neuen Unübersichtlichkeit“ (Jürgen Habermas) liefert Möllers dazu wenig Erhellendes. Strittig sei schon, ob die SPD ihren Niedergang selbst verschuldet habe. Ist er doch nicht etwa das Ergebnis zahlloser politischer Fehlentscheidungen, sondern eines Generationenwechsels, den zu verhindern nicht in ihrer Macht gelegen habe. 

Biologisch bedingt schrumpfen ihre traditionellen Wählerschichten: Industriearbeiterschaft, untere und mittlere Ränge des öffentlichen Dienstes. Da sie keine zukunftsfrohe Aufsteiger-Partei mehr sei, optieren auch, wie zwischen Brandt-Ära und Schröder, Intellektuelle und Akademiker kaum mehr für sie. 

Warum das Partei-Establishment sich aber dafür entschied, sich eine ganz andere Klientel zu suchen und sich zum Anwalt „antideutscher“ Sektierer-Zirkel jeder Couleur aufzuschwingen, ist eine Frage, die Möllers, der anbiedernde Sympathie für diese Szene durch Verwendung ausschließlich der weiblichen Form einiger Substantive („Wählerinnen“) bekundet, gar nicht zu stellen wagt. 

Folglich ist ihm ein Rätsel, warum der Partei „seit dem offensichtlichen Versagen des Kapitalismus in den Krisen der Jahre 2008 und 2012“ die Wähler nicht scharenweise zugelaufen sind. Und jenseits des politisch korrekt Vorstellbaren liegt für Möllers der Gedanke, daß die SPD sich verabschiedet, weil sie ihre, trotz herber „biologischer“ Ausfälle, potentiell noch stattliche deutsche Stammwählerschaft verriet, um sich als „Partei der Anderen und Fremden“ zu empfehlen.