© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Man muß es wagen, seine Meinung angstfrei zu vertreten
Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki beklagt den Haltungsjournalismus und die Gängelungen der Political Correctness – bis zu einem gewissen Grade
Jazlynn-Dane Schröder

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP Wolfgang Kubicki analysiert in seinem aktuellen Buch die freie Rede in unserer Gesellschaft. Er kritisiert das Ausgrenzen politischer Gruppierungen, wie beispielsweise der AfD, deren Wählern man damit die Teilhabe am demokratischen Prozeß verwehre.

Der Bundestagsvizepräsident bemängelt auch die fehlende Objektivität in den öffentlich-rechtlichen Medien und deren nicht selten von offener Antipathie geprägte AfD-Berichterstattung. Auch zunehmende „sprachpolizeiliche Maßnahmen“, welche überall Rassismus und Sexismus wittern, stehen im Fokus seiner Kritik. Die „Haltung“, die viele Journalisten und Politiker heutzutage antreibe, impliziere in einer verqueren Art, daß es nur Gute mit Haltung und die Bösen ohne Haltung gebe. 

Die Bigotterie des linken Spektrums ist offenkundig

Dieses Modell schließe eine dritte Meinung völlig aus. Die Bigotterie, mit der im linken Spektrum und bei einschlägigen Nichtregierungsorganisationen mit der oft gepredigten Toleranz umgegangen wird, sei offenkundig. Sachliche Auseinandersetzungen seien deshalb oft kaum mehr möglich, da allzu oft mit der Moralkeule geschwungen wird und dies eine gleichberechtigte Diskussion im Ansatz verhindere, da die Moral keine Rücksicht auf Fakten nehmen müsse. Kubicki appelliert an den Leser, mehr Demokratie zu wagen und seine Meinung angstfrei zu vertreten, ohne sich von einem vermeintlichen Mainstream einschüchtern zu lassen.

Kubicki zeigt einige gute Ansätze bei seiner Analyse des Zustandes der Meinungsfreiheit. Bei seiner Kritik ist er jedoch sehr selektiv. Er beanstandet nur das, was in sein politisches Weltbild paßt und benennt nicht den vollen Umfang der Mißstände. So kritisiert er einerseits die unverhältnismäßig positive Berichterstattung über die Bewegung „Fridays for Future“ um Greta Thunberg, die nicht selten denunziatorischen und vorurteilsbeladenen Einschätzungen gegenüber Rechten und Konservativen scheren den Liberalen aber andererseits wenig. Auch an anderer Stelle klingt sein Lamento schizophren. Der oft unfaire Umgang mit der AfD und die Ausgrenzungsmechanismen gegen die größte Oppositionspartei wurden erwähnt, genauso wie Kubicki betont, daß in Deutschland die Frage nach verfassungskonformem und verfassungswidrigem Verhalten den Gerichten überlassen bleiben sollte. Allerdings poltert er selbst gegen die AfD, der er ohne konkret zu werden antidemokratische Bestrebungen vorwirft und die Partei in eine Schublade mit Rechtsextremisten steckt. Dieser Widerspruch ist allzu augenfällig und nimmt dem Buch die Glaubwürdigkeit.

Wolfgang Kubicki: Meinungsunfreiheit. Das gefährliche Spiel mit der Demokratie. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2020, broschiert, 160 Seiten, 16 Euro