© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/21 / 19. März 2021

Am bunten Kartentisch
Das „Katapult“-Magazin feiert Erfolge
Ronald Berthold

Ein Statistik-Magazin katapultiert sich an die Spitze der Auflagen-Gewinner. Das vor sechs Jahren von einem journalistischen Laien gegründete Heft Katapult hat mit populärwissenschaftlichen Grafiken und Texten einen Weg genommen, von dem etablierte Medien träumen. In der Zeitungskrise erlebt das Magazin einen Boom, den kein Experte erahnt hat.

Laut IVW hatte sich die Auflage vom vierten Quartal 2018 innerhalb eines Jahres zunächst auf 25.000 verdoppelt. Im letzten Quartal 2020 waren es dann schon 68.500. Glaubt man dem Gründer, könnten es 2021 noch mehr werden.

„Einheitsgehalt“ für alle Mitarbeiter

Denn inzwischen läßt Benjamin Fredrich 120.000 Exemplare der Vierteljahreszeitschrift drucken, wie er der Neuen Zürcher Zeitung verriet. Dies sei aber auch einer Vorratshaltung geschuldet: Viele Leser bestellten später ältere Ausgaben nach. Den 33jährigen Chefredakteur nennt die Schweizer Zeitung „den wahrscheinlich erfolgreichsten Print-Verleger dieser Tage“. Von der vorpommerschen Kleinstadt Greifswald aus steuert er sein 100seitiges Magazin, das er im gesamten deutschsprachigen Raum anbietet.

So seriös das Blatt mit seinen Grafiken und Fußnoten daherkommt, so unseriös gibt sich zuweilen sein Chefredakteur. Fredrich, der noch an seiner Doktorarbeit über Rechtspopulisten sitzt, erzählt gern, wie er einem Autofahrer den Außenspiegel abgetreten habe. Grund: Dieser habe ihn angehupt, weil er mit seinem Rad mitten auf der Fahrbahn fuhr.

Der militante Radfahrer geht auch mit der Konkurrenz nicht zimperlich um. Vor allem den Nordkurier (Auflage: 60.000) hat Fredrich auf dem Kieker. Die im Nordosten erscheinende Tageszeitung bürstet zuweilen gegen den Medien-Mainstream, nennt Ausländerkriminalität beim Namen und läßt auch die AfD, in Mecklenburg-Vorpommern zweitstärkste Partei, zu Wort kommen.

Für Fredrich zu viel des Schlechten. Auf der Katapult-Onlineseite schrieb er im August 2020: „Die Leute vom Nordkurier sind waschechte Rassisten, die die Mordfantasien ihrer Leser erst schüren und anschließend auf ihren Kanälen dulden.“ Als sich Redakteure der Zeitung über die Verunglimpfung beschwerten, änderte Fredrich den Satzanfang von „die Leute“ in „einige Leute“.

Wie lässig die 32köpfige Mannschaft rüberkommen möchte, verdeutlicht die Online-Rubrik „Über Katapult“. Dort interviewt sich die Zeitung selbst. Zur Frage, warum das Magazin aus Greifswald komme, lautet die Antwort: „Wieso nicht, du Arschloch!?“

Der Leser erfährt auch, warum man sich ausschließlich mit Sozialwissenschaften beschäftige: „Naturwissenschaftler haben keine Probleme, ihre Texte mit tollen Fotos auszustatten. In den Sozialwissenschaften ist das schwerer und wird deshalb auch kaum gemacht. Wir haben das geändert. Katapult ist die Geo der Sozialwissenschaft.“

Dabei klingt die Antwort sehr mißverständlich. Denn Katapult verzichtet komplett auf Bilder und liefert zur Illustration ausschließlich Grafiken. Das scheint das Erfolgsrezept für den kometenhaften Aufstieg der Publikation zu sein. Aus Statistiken und Studien von Sozialwissenschaftlern baut die Redaktion vereinfachte und detaillierte Schaubilder. Die Artikel werden „von Wissenschaftlern oder unseren Redakteuren verfaßt“, so Katapult.

Schwerpunkte auf der Webseite sind dabei linke Lieblingsthemen wie „Bundesländer, in denen der Verfassungsschutz die AfD beobachtet“ (nämlich alle) oder „Todesopfer rechter Gewalt“ – hier dient die umstrittene Amadeu-Antonio-Stiftung als Quelle. Immerhin läßt die Redaktion Widerrede zu. Daß es keine Statistiken zu linker Gewalt gebe, bezeichnet ein Leser als „Schönrederei“ und liefert eine ganze Reihe von Deliktfeldern, wo Linksextremisten um ein Vielfaches vor den Rechtsextremisten liegen. Der Kommentar wurde nicht gelöscht.

Auch zu unterhaltsamen Gebieten wie Google-Suchen nach Politikern erstellt die Redaktion Grafiken. Heraus kommt: In jedem Bundesland suchen die Bürger am meisten nach Angela Merkel. Ausnahme ist Bayern, wo Ministerpräsident Markus Söder auf Platz 1 steht.Nicht nur die Aufmachung, sondern auch die Geschäftsform von Katapult unterscheidet sich von anderen Print-Medien. Herausgeber ist die Katapult gGmbH, eine gemeinnützige GmbH. Nach eigenen Angaben fördert diese „Wissenschaft und Forschung sowie die Volks- und Berufsbildung“. Katapult stellt sogar Spendenbescheinigungen aus. Jeder Mitarbeiter vom Chefredakteur abwärts erhält ein „Einheitsgehalt“. Aktuell sind dies 3.150 Euro pro Monat. Mit steigender Auflage stiegen auch die Löhne. Geht die Entwicklung weiter, dürfte es demnächst mehr Geld für die Angestellten geben.


 https://katapult-magazin.de