© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/21 / 19. März 2021

Frisch gepresst

GĂĽnther Anders. Allenfalls assoziiert man mit seinem Namen noch die biographische Marginalie „erster Ehemann von Hannah Arendt“ sowie das Etikett „Philosoph des Atomzeitalters“. Ansonsten sind Leben und Werk  des 1902 in Breslau als Sohn des bedeutenden Psychologen William Stern geborenen, 1992 in Wien verstorbenen GĂĽnther Stern, der sich seit der Flucht aus NS-Deutschland „Anders“ nannte, nahezu vergessen. Dabei erfĂĽllt ein Denker, dessen Technikphilosophie unter dem Titel „Die Antiquiertheit des Menschen“ (1956) Furore machte, heute alle Voraussetzungen fĂĽr ein glänzendes Comeback. Denn Anders’ SpaĂźbremsen-These aus den fortschrittsgläubigen, wachstumsseligen 1950ern, der zufolge der Mensch aufgrund seiner anthropologischen Ausstattung mit den permanenten technischen Innovationen mental nicht Schritt halten könne und sich in dieser Produkte-Welt als „dysfunktional“ empfinde, kontert Silicon Valley kurzerhand mit Visionen von der Zukunft des Menschen als posthumaner Zombie, dem Unsterblichkeit nur als Festplatte winkt. Aktuell ist Anders aber nicht nur als Technikphilosoph, sondern auch als Ă„sthetiker und Medienkritiker. Den wiederzuentdecken eine lobenswerte Edition seiner Analysen zum Kino Weimars und Hollywoods, seiner tiefgrĂĽndigen KĂĽnstlerporträts, Louvre- und ItalientagebĂĽcher einlädt. (dg)

GĂĽnther Anders: Schriften zu Kunst und Film. Verlag C. H. Beck, MĂĽnchen 2020, gebunden, 485 Seiten, 44 Euro





Schulchaos. Heinz-Peter Meidinger folgte 2017 Josef Kraus als Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Nun hat der pensionierte Gymnasialdirektor eine kurze und prägnante Kritik an der Schulpolitik herausgegeben. In zehn Punkten beklagt er deren „Todsünden“. Davon sind die meisten Mißstände politischer Natur: unsinnige ministerielle Vorgaben und Ideologisierung, „Dauerversagen“ des Bildungsföderalismus, der Zukunftschancen von Kindern zunehmend vom Wohnort abhängig mache. Dem sei auch nicht mit „Bestnoteninflation“ und weiterer Senkung des Leistungsniveaus beizukommen. Und weil durch diese Faktoren das Bildungssystem nicht bereits ausreichend traktiert werde, würden die Schulen auch noch als „Experimentierfeld unausgegorener Reformen“ mißbraucht. (bä)

Heinz-Peter Meidinger: Die 10 TodsĂĽnden der Schulpolitik. Eine Streitschrift. Claudius Verlag, MĂĽnchen 2021, gebunden, 126 Seiten, 15 Euro