© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Frisch gepreßt

Alle Macht dem Rat. Der Niederländer Luuk van Middelaar, Historiker, politischer Philosoph und Publizist, ist mit seinem Werk über „Gegenwart und Geschichte des vereinten Europa“ („Vom Kontinent zur Union“, deutsch 2016) berühmt geworden (JF 22/21). Dabei handelt es sich um eine Verteidigung und Rechtfertigung der EU-Politik, soweit sie auf die Etablierung eines europäischen Superstaates zu Lasten souveräner Mitgliedstaaten hinausläuft. Auch sein jüngstes Buch, ein Essay über den Zustand der EU in der Corona-Krise, ist wieder ein Plädoyer für die Konzentration aller Macht beim Europäischen Rat. Es sei die „bitterste Erfahrung“ der Pandemie, daß sie die „geopolitische Einsamkeit Europas“ – soll bei van Middelaar stets heißen: der EU – „schlagartig bewußt“ gemacht habe. Aus dieser schockierenden Erfahrung gelte es richtige Lehren zu ziehen, um den „unvermeidlichen geopolitischen Titanenkampf der nächsten Jahrzehnte“ bestehen zu können. Zwar gebe es noch ein „Spannungsverhältnis“ zwischen den proklamierten demokratischen, liberalen, rechtsstaatlichen „Werten“ der EU und ihren damit nicht immer kompatiblen geopolitischen Ambitionen. Und die Pandemie mache es schwerer, diesen Konflikt zu verschleiern. Aber „die Pandemie, der große Enthüller“, habe viele Europäer auch Solidarität erleben lassen, was den fortschreitenden Übergang des Kontinents zur „echten Union“ allen unvorhersehbaren Wendungen zum Trotz beschleunigen werde. (wm)

Luuk van Middelaar: Das europäische Pandämonium. Was die Pandemie über den Zustand der EU enthüllt. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, broschiert, 202 Seiten, 16 Euro





Breker. Rainer Hackels großer Essay über den Bildhauer Arno Breker schließt nicht nur neue Quellen über den „umstrittenen“ Künstler auf und setzt sich objektiv mit seinem Leben und Werk im nationalsozialistischen Dritten Reich auseinander, sondern berührt auch dessen Freund- und Bekanntschaften mit solch berühmten und manchmal nicht minder umstrittenen Persönlichkeiten wie Ezra Pound, Jean Cocteau und Leopold Sédar Senghor. Brekers künstlerische Arbeiten – beispielsweise die Büsten von Albert Speer, Richard Wagner und dem „Boxer“ oder seine heroischen Figuren wie die „Bereitschaft“, die „Kameraden“ und der „Künder“ werden vom Autor neu und vor allem künstlerisch völlig vorurteilsfrei bewertet. Die besondere Bewunderung Hackels gehört dabei dem Spätwerk des Künstlers: das „Mädchen mit Tuch“, „Auferstehung“, die „Sinnende“ und die „Knieende“, doch vergißt der Autor darüber nicht, auch Brekers Eingeständnis seiner Schuld, einem verbrecherischen Regime gedient zu haben, zu thematisieren und zu problematisieren. (W.O.)

Rainer Hackel: Arno Breker. Triumph und Tabu. Arnshaugk Verlag, Neustadt an der Orla 2021, gebunden, 126 Seiten, Abbildungen, 18 Euro