Wenn eine Gesellschaft nicht so zerfallen soll, daß es „für glühende Anhänger des Neoliberalismus ein Fest ist“, dann muß sie den Rat Wolfgang Lünenbürger-Reidenbachs einholen. Der „Kommunikationsexperte“ ist bei der PR-Agentur Burson Cohn & Wolfe Kreativitätschef für Europa und Afrika. Und als erweitertes Mitglied der 12. EKD-Synode treibt ihn die Frage um, wie die zur Minderheit gewordenen evangelischen Christen diesem Zerfallsprozeß begegnen sollten (zeitzeichen, 5/2021). Sein Rezept dafür lautet schlicht, die Mehrheitsgesellschaft durch eine „polykulturelle Minderheiten-Mehrheit“ zu ersetzen. Die führe sogar noch einen Schritt über das derzeit gültige Modell der „multikulturellen Gesellschaft“ hinaus, bei dem eine Mehrheit Minderheiten „ leitkulturell zu integrieren“ versuche. In der „polykulturellen Ära“, in die das bunte Einwanderungsland für Lünenbürger-Reidenbach gerade eintritt, löst sich hingegen die Mehrheit in hohem Tempo auf. Eine kulturelle Identität, die „Mehrheit“ abbildet, gebe es bald nicht mehr. Trotzdem sei der „Zusammenhalt einer Minderheiten-Mehrheit als liberale Demokratie“ möglich. Sie funktioniere nach dem kategorischen Imperativ „intersektionaler Solidarität“: Lerne aus eigener Minderheitenerfahrung, Bedürfnisse anderer Minderheiten als gleichwertig anzuerkennen!