© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/21 - 01/22 / 24. Dezember 2021

Wunsch nach Wahrhaftigkeit
Unterwegs mit dem Verleger und Autor Uwe Lammla
Werner Olles

Die sechs Tage währenden Gespräche Rainer Hackels mit dem Verleger und Autor Uwe Lammla über dessen Leben und Werk beginnen mit einem Geständnis. Auf die Frage, warum „viele Autoren ihre Studien- und Sturm-und-Drang-Zeit für wesentlich für ihr Werk halten“, folgt eine gänzlich unpretiöse Antwort des Befragten: „Die Pubertät ist die Vertreibung aus dem Paradies, und alle Dichtung versucht die Heimkehr. Und das wichtigste ist die ganz frühe Kindheit, an die wir uns kaum erinnern können. Die Mutterliebe schafft das Gottvertrauen, das einen das ganze Leben lang trägt“. Die Kindheit als Erstgeborener, der Stolz auf seine so schöne und jugendlich aussehende Mutter, der Stolz nicht zur Miete hausen zu müssen, all dies „befähigt einen geradezu Demütigungen zu ertragen, weil Stolz das Wissen ist, daß man sich nur selber demütigen kann“. Bereits in diesen Sätzen erlebt der Leser eine Souveränität des Urteils und Unmittelbarkeit des Erlebens, die ihresgleichen suchen. 

Im Jahr 1981 lernt er mit 20 Jahren den Dichter Rolf Schilling kennen, dessen Verleger er zehn Jahre später wurde. Später kommt es zum Zerwürfnis zwischen den beiden, das Schilling sich in seinen Gesprächen mit Hackel nicht erklären konnte. Doch ging es wohl um das Lehrer-Schüler-Verhältnis, das sich analog zu dem von Wagner und Nietzsche gestaltete. Zehn Jahre danach folgt eine Wiederannäherung.

Während Hackel auf Schillings „rassistisches Gelächter“ und seine „rassistischen Ausfälle“ gegenüber Afrikanern hinweist, verteidigt Lammla den Freund und findet es vollkommen natürlich, „daß jeder seine eigene Lebensweise für die normale hält“ und Hackel in seiner Ghana-Erzählung dem „spottlustigen Schilling dauernd Steilvorlagen über dessen Ghana-Philie geliefert (habe)“. Von einem klärenden Gespräch rät er hingegen ab, Schillings Werk könne man auch ohne persönliche Freundschaft schätzen.

Am zweiten Tag bekennt Lammla, gläubiger Christ und Lutheraner zu sein, der überzeugt ist, daß es keine Erlösung auf Erden gibt, und das Leben essential tragisch bleibe. Seine besten Werke habe er unter katastrophalen Bedingungen geschrieben, einen Grund zu hadern sieht er für sich selbst und sein Leben jedoch nicht. Den Weg zu Gott finde man hingegen mit einem kritischen Geist und dem starken Wunsch nach Wahrhaftigkeit, doch sei ihm jede Art von Opfermythos zuwider. Auch tummle er sich als Autor „nicht auf dem Ratgebermarkt“. Auf die „lügnerisch als Aufklärung deklarierte Epoche“ müsse eine wirkliche Aufklärung folgen. Erst dann werde man sehen, „daß die Wahrheit nicht der Liebe, nicht der Güte und nicht der Wahrhaftigkeit widerspricht“.

Rainer Hackel: Der unbemerkte Aufstand. Eine Woche mit dem Dichter Uwe Lammla. Oxalis Verlag, Graz 2021, gebunden, 200 Seiten, 18 Euro