© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/24 / 01. März 2024

Hirten grenzen aus
Bischofskonferenz warnt vor der AfD: Für Christen „nicht wählbar“
Gernot Facius

Der Anti-AfD-Beschluß der Bischöfe wird noch für heftige Debatten im katholischen Kirchenvolk und darüber hinaus sorgen. Der Episkopat hat auf seiner Frühjahrskonferenz in Augsburg eine Art Unvereinbarkeitsklausel verabschiedet: Wer rechtsextreme Parolen verbreite, insbesondere Rassismus und Antisemitismus, könne in der Kirche weder haupt- noch ehrenamtlich mitarbeiten. Wer Parteien wähle, die mindestens „in Teilen“ vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingeschätzt würden, stelle sich „gegen die Grundwerte menschlichen Zusammenlebens“. Daß sich derzeit eine lebhafte und starke Protestbewegung gegen die AfD Gehör verschaffe, wird von den Bischöfen ausdrücklich unterstützt. „Nach mehreren Radikalisierungsschüben“ dominiere inzwischen vor allem in der AfD eine „völkisch-nationalistische Gesinnung“.

Die Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP) begrüßte die Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz. Auch die kommissarische EKD-Ratsvositzende Kirsten Fehrs zeigte sich über den Beschluß erfreut. „Historisch einzigartig in seiner Deutlichkeit“ nannte der Berliner Tagesspiegel die Stellungnahme des Episkopats. Der stellvertretende AfD-Bundessprecher Stephan Brandner hingegen stufte den kirchlichen Text als „billiges Wahlkampfmanöver“ und „Polithetze“ ein, worauf der Magdeburger Bischof Gerhard Feige konterte: „Uns von Menschen, die seit Jahren gegen andere hetzen, ‘Polithetze’ vorwerfen zu lassen, finde ich einfach kurios.“

Viele AfD-Mitglieder und Sympathisanten der Partei sind jedoch auch engagierte Katholiken, die sich durch das Bischofswort ungerecht behandelt fühlen. In der Welt schrieb ein Leser, wenn der Chef der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die AfD als „nicht kompatibel“ mit der katholischen Kirche bezeichne, frage man sich: „Sind etwa SPD, Grüne und FDP mit ihrer Einstellung zu Abtreibung und Ehe mit der Kirche kompatibel? Oder die CDU/CSU, der die Kompatibilität seinerzeit von Kardinal Meisner bestritten wurde – mit der Empfehlung, auf das C zu verzichten. Nach Verschwinden der klerikalen Zentrumspartei dürfte sich Herr Bätzing schwertun, etwas Kompatibles in der deutschen Parteienlandschaft zu finden.“

Andere Kritiker fragten: Ãœberdehnen die Bischöfe nicht ihr Hirtenamt? Die Kirche sei schließlich nicht der Verfassungsschutz, sie habe sich um die Seelen der Gläubigen zu kümmern. Bätzing blieb dabei: Völkische Parteien wollten Ab- und Ausgrenzungen und das Solidaritätsprinzip je nach Herkunft der Menschen eingrenzen. 

Der erste Oberhirte, der von kritischen Reaktionen von Katholiken auf die Beschlüsse von Augsburg berichtete, war Stefan Oster. Dem Bayerischen Rundfunk sagte der Bischof von Passau, er bekomme E-Mails von Menschen, die fragten, wohin sie sich denn sonst orientieren sollten. Zu Überschneidungen von Positionen der Kirche und der AfD, etwa beim Lebensschutz, bemerkte Oster: „Daß wir für Lebensschutz stehen dürfte klar sein. Aber wir waren das Original. Es wird gekapert und für die eigenen Interessen instrumentalisiert.“

Auf der Pressekonferenz wurde deutlich, daß der Episkopat befürchtet, die AfD könnte bei den bevorstehenden Landtagswahlen im Osten stärkste Partei werden. Deshalb sei es „unbedingt erforderlich“, daß die katholische Kirche weiterhin eine „klare Position“ beziehe. Dazu zähle auch die Beteiligung von Bischöfen an Großdemonstrationen gegen Rechtsextremismus. 

Vatikan stoppt Reformprozeß der deutschen Katholiken

Zu Beginn der Frühjahrsvollversammlung war ein kritischer Brief aus dem Vatikan eingegangen, der sich mit dem Reformprozeß „Synodaler Weg“ befaßte. Deshalb wurde die Beratung über den Entwurf einer Satzung von der Tagesordnung genommen. „Wir sehen die Notwendigkeit einer guten und gelingenden Kommunikation mit den Verantwortlichen in Rom“, sagte Bätzing. Mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) wolle man nun beraten, was der Brief für die für Juni vorgesehene Sitzung des Synodalen Ausschusses bedeute. „Die römische Weltsynode und der Synodale Weg in Deutschland gehen in dieselbe Richtung“, meinte der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Er versprach: „Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren.“ Das Schreiben aus dem Vatikan zeige allerdings, daß es unterschiedliche Sichtweisen gebe.

Schärfer formulierte die von Laien und Theologen getragene Reformbewegung „Wir sind Kirche“ die aufgetretenen Differenzen: „Wenn der Vatikan es mit Synodalität und einer synodalen Kirche auf allen Ebenen ernst meint, dann muß endlich die römische Dialogverweigerung beendet werden.“