© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/98 02. Januar 1998

 
 
Bundeswehr: Medienkampagne soll politische Koordinaten verschieben
Soldaten als Vorbild
von Dieter Stein

Seit mehreren Wochen steht die Bundeswehr in einem Medienkreuzfeuer, das in ernüchterndem Maße den Grad an Entpolitisierung und Moralisierung der deutschen Öffentlichkeit zutage brachte. Zudem offenbart diese Rühe-Affäre, welche imponierende Kampagnenfähigkeit das nicht-nationale politische Lager in Deutschland besitzt. Ein Militärhistoriker der Bundeswehr-Universität München, Franz W. Seidler, schrieb bereits vor Beginn der Medien-Kampagne, als ob er es geahnt hätte, zur Wirkung der Anti-Wehrmachtsausstellung: "Die politische Tendenz, die von den linken Gruppen verfolgt wird, ist offensichtlich: Gelingt es, die Wehrmacht als verbrecherische Organisation zu desavouieren, dann richtet sich der nächste Schlag gegen die Bundeswehr." Dies ist jetzt eingetroffen. Warum? Seidler: "Wenn nämlich die Väter der Bundeswehr, Zehntausende von Offizieren und Unteroffizieren, die die Bundeswehr ab 1955 aufbauten, einer Verbrecherbande angehörten, dann kann es mit der Bundeswehr nicht weit her sein. Sie haben wohl die kriminellen Maßstäbe der Wehrmacht an die Bundeswehr weitergegeben." Exakt nach diesem Muster verläuft die Medien-Schlacht.

Mit dem Buch "Verbrechen an der Wehrmacht – Kriegsgreuel der Roten Armee 1941/42 holt mit Seidler erstmals ein renommierter Militärhistoriker zum Gegenschlag gegen die Verantwortlichen des "Hamburger Instituts für Sozialforschung", jenem scheinwissenschaftlichen Mantel der "Wehrmachtsausstellung", aus. Franz W. Seidler legt hier offen, daß Licht- und Schattenseiten der Wehrmacht bereits seit Jahren umfassend aufgearbeitet sind. Die JF dokumentiert Auszüge des Buches auf Seite 17.

Gerd Schultze-Rhonhof, Generalmajor a. D., jahrelang Ausbilder an der Bundeswehr-Führungsakademie, unterstreicht Seidlers Auffassung in der JF (Seite 4-5), daß es "sich dabei um Angriffe gegen das Soldatentum überhaupt handelt". Doch warum handelte der Verteidigungsminister nicht und drehte den Spieß um? Schließlich genießt die Armee seit dem Einsatz während der Oder-Flut in der Bevölkerung einen glänzenden Ruf. SCHULTZE-RHONHOF: "Da der Minister sich nicht mit den Soldaten an sich und mit dem Soldatentum identifiziert, hat er das nie als Angriffe auf die Bundeswehr empfunden."

Die Regierungsparteien in Bonn, besonders die CDU, haben nicht begriffen, daß sie dabei sind, im Rahmen eines Kulturkampfes wiederholt eine kapitale Niederlage einzustecken. Entscheidend ist nicht, daß der wackelige Rühe im Sattel sitzen bleibt, sondern daß wieder einmal von einer Minderheit politische Koordinaten verschoben worden sind. Die Republik kippt weiter nach links, korrekter: auf die antinationale Seite. Die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, eröffnet die Reemtsma-Ausstellung und Bundeswehr-Admiral Wellershoff hält eine sensible Lobrede auf den Ausstellungsleiter Hannes Heer, als dieser kürzlich die Ossietzky-Medaille verliehen bekommt.

Der Film "Das Boot", der in dreieinhalbstündiger Langfassung seit zwei Wochen in vielen deutschen Kinos läuft, ist eine Erholung von all dem Irrsinn, der über die Bildschirme flimmert (Seite 3). Deutschland täte es gut, wenn Regisseure den Mut zu mehr Filmen dieser Art fänden. Doch der Zwang zu "historical Correctness" lastet so schwer, daß noch viele die Finger davon lassen. Doch auf dieses Klima des Zwanges wird nicht andauern.


 
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