© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/98  09. Januar 1998

 
 
Franz Schönhuber: Der Trommler aus Trostberg feiert 75. Geburtstag
Figaro hier, Figaro da
von Ilse Meuter/Richard Stolz

Einst gingen die Wogen um ihn hoch. Mittlerweile ist es still, sehr still um Franz Schönhuber geworden. Ein Zustand, an dem der vormalige Waffen-SS-Soldat, Schauspieler ("Des Teufels General", "Nathan der Weise", "Die Räuber"), Journalist, Fernsehmoderator ("Jetzt red’ i"), Buchautor und Politiker heute, am Vorabend seines 75. Geburtstages an diesem Sonnabend, selbst am meisten leiden dürfte. Denn einer zünftigen Gaudi war "der Franz" nie abgeneigt. Ob bei Playboy-Gründer Hugh Hefner auf Schwabinger Gartenparties, mit seinem Förderer Franz-Josef Strauß beim diskreten Zug um die Häuser oder mit CSU-Seilschaften in der Bockbier-Klamm: der ebenso polyglotte wie launige Plauderer, charismatische Volksredner und begnadete Selbstdarsteller aus Trostberg in Oberbayern war stets mittenmang.

Auch als es galt, parteipolitisch ein neues Faß aufzumachen. Nachdem der von Strauß eingefädelte Milliardenkredit an die DDR die weiß-blaue Sympathisantenschar auf die Palme gebracht hatte, gründeten die damaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Handlos und Voigt sowie Schönhuber Ende November 1983 als bundesweite CSU eine neue Rechtspartei: Die Republikaner.

Als parteiloser, aber hochrangiger Medienfunktionär beim Bayerischen Rundfunk war der ehrgeizige Metzgerssohn stets dicht an bajuwarischen Partei- und Staatsaktionen dran. Gleichwohl erfolgte sein Abschuß aus Kreisen seines beruflichen und privaten Umfeldes. Willkommener Anlaß: Er hatte es 1981 gewagt, sich zu seiner soldatischen Vergangenheit zu bekennen. Binnen kurzem avancierte Schönhuber zum alleinigen Parteichef und erzielte im Oktober 1986 auf Anhieb einen ersten Drei-Prozent-Erfolg bei der bayerischen Landtagswahl. Seine zweite Frau Ingrid, eine Münchner Rechtsanwältin und Ex-Stadträtin der SPD, unterstützte ihn, leitete die Parteitage und vertrat die Republikaner in gerichtlichen Auseinandersetzungen, deren Zahl erheblich werden sollte.

Doch weder war die Zeit reif für eine "konservativ-liberale Volkspartei" (Handlos, 1984), noch gab es eine Entwicklung in Entsprechung zu neuen gesellschaftlichen Konfliktlinien. Die Republikaner wurden bald zu einer Bühne für Franz Schönhuber und dessen Fähigkeit zur öffentlichkeitswirksamen Darstellung. An konzeptionellen Fragen und inhaltlichen Richtungsklärungen fand er wenig Interesse; wichtiger war es ihm, die Partei bundesweit bekannt zu machen, die Struktur auszudehnen und Wahlkampfkostenhilfe zu erhalten.

Die Rechnung des Trommlers aus Trostberg schien zunächst aufzugehen. Im Januar 1989 gelang der Partei mit 7,5 Prozent der Stimmen und elf Mandaten der Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus, im Juni zog man mit 7,1 Prozent und sechs Abgeordneten ins Europaparlament ein und im Oktober stürmten die Republikaner bei den Kommunalwahlen in NRW und Baden-Württemberg viele Gemeinde- und Stadträte.

Die Erfolge wurden für die junge ungefestigte Partei zugleich zum größten Problem: Begehrlichkeiten wurden geweckt, Größenwahn machte sich breit; massenhaft strömten neue Mitglieder den Republikanern zu, darunter nicht wenige "U-Boote", Verrückte und Kriminelle; die "Intellektualisierung" der Partei scheiterte, innerparteiliche Intrigen lähmten ganze Landesverbände. Hinzu kamen die erbitterten Auseinandersetzungen um den "Abgrenzungsparteitag" von Ruhstorf im Juli 1990, in dessen Folge gegen Kritiker des Parteivorsitzenden vorgegangen wurde und man sich von radikaleren Parteien abgrenzte. Und Schönhuber thronte als Mädchen für alles über dem um sich greifenden Chaos: Figaro hier, Figaro da. Das konnte nicht funktionieren.

Zudem hatte der Parteichef in personellen Dingen keine glückliche Hand und heuerte Cagliostros statt seriöse Berater an. Sein harscher Führungsstil, mehr noch seine Apathie, als die Partei eine Wegweisung brauchte, führten erst zur Entfremdung, schließlich zur Trennung. Das endgültige Ende der Ära Schönhuber kam nach der Bundestagswahl 1994; jüngere Kräfte übernahmen fortan die Verantwortung.

Seither widmet sich der "rechte Verführer" (Spiegel, 1989) vor allem der politischen Schriftstellerei. Nebenher hält er bundesweit Vorträge und reist in der Weltgeschichte umher, dem Ruhestand entfliehend. In einer Charakterisierung des Spiegel hieß es schon vor Jahren: "Nie wirkt dieser energiegeladene Mann, bei aller prallen Körperlichkeit, rund und in sich ruhend. Sets hat es seine Umgebung nur mit Fragmenten seiner Persönlichkeit zu tun, die einander widersprechen, in Frage stellen, übertrumpfen. Das macht ihn lebendig und selten langweilig, aber auch unzuverlässig, prahlerisch und verführerisch." Da ist heute auch noch etwas dran.


 
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