© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/98  16. Januar 1998

 
 
FDP: Drei Kandidaten bewerben sich um den Vorsitz in Berlin
Gerangel um Mandate
von Richard Stolz

Sie stehen sich spinnefeind gegenüber, die verschiedenen Parteizirkel in der Berliner FDP. Nur in einem sind sich die Protagonisten des linksliberalen Fügels und der Nationalliberalen einig: Vorstandsämter und Mandate unterliegen in der FDP nicht einer Vergnügungssteuer. Trotzdem wird der Andrang auf den Chefsessel der Berliner Freidemokraten immer größer. Neben dem amtierenden Landesvorsitzenden Martin Matz und seinem nationalkonservativen Herausforderer Alexander von Stahl hat jetzt auch der Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Heinz Lanfermann, seine Bereitschaft erklärt, für den Parteivorsitz zu kandidieren.

Mit dieser neuen Konstellation verspricht der Landesparteitag der Liberalen am 24. Januar in einem Hotel in Berlin-Neukölln ein gewisses Maß an Spannung. Zwar werden dem ehemaligen Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen und späteren Bundestagsabgeordneten Lanfermann kaum Chancen eingeräumt; dazu fehlt dem erst im vorigen Jahr von Bonn in die Hauptstadt übergesiedelten Juristen jegliche Hausmacht in Berlin. Alexander von Stahl, Ex-Generalbundesanwalt und vor zwei Jahren mit 114 zu 170 Stimmen bei der Wahl zum Parteivorsitz gegen Martin Matz unterlegen, hält Lanfermann gleichwohl für einen "ernstzunehmenden Kandidaten".

1994 zog Lanfermann über die nordrhein-westfälische Landesliste in den Bundestag ein. Die FDP war damals noch mit einem blauen Auge davongekommen und erreichte mit 6,9 Prozent den Wiedereinzug ins Parlament. Allerdings schrumpfte die Bundestagsfraktion von 78 auf 47 Abgeordnete. Einer, der auf der Landesliste hinter Lanfermann plaziert war und nach Ansicht der Parteispitze unbedingt mit einem Mandat ausgestattet werden sollte, war der neue Generalsekretär Guido Westerwelle. Also überzeugte man den 47jährigen Lanfermann, sein Mandat schleunigst wieder niederzulegen, indem man ihn als Parlamentarischen Staatssekretär ins Justizministerium weglobte. Dort ging er 1995 auf Konfrontationskurs zu Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger und setzte sich vehement für den Großen Lauschangriff ein.

Zuvor hatte der ehemalige Richter am Landgericht kaum von sich Reden gemacht. Fünf Jahre gehörte er dem Stadtrat von Oberhausen an, sechs weitere Jahre war er Mitglied im Düsseldorfer Landtag (1988–1994). Dort stimmte er im Zuge der Hauptstadt-Debatte einem Entschließungsantrag zu, in dem es hieß: "Der Landtag ist der Ansicht, daß Bonn Parlaments- und Regierungssitz bleiben muß." Doch weil er von Justizminister Schmidt-Jortzig nach Berlin versetzt wurde, mußte er in der ungeliebten Spree-Metropole auch seinen Wohnsitz nehmen. Seit Juli vorigen Jahres gehört er dem FDP-Bezirksverband Berlin-Mitte an.

Daß Lanfermann jetzt für den Landesvorsitz kandidieren will, weil er seine Liebe zu Berlin entdeckt hat, wird in Parteikreisen allenthalben bezweifelt. Kritiker werfen ihm vor, er habe in erster Linie eines der beiden Bundestagsmandate im Auge, die die Berliner FDP zu vergeben hat – vorausgesetzt, den Liberalen glückt am 27. September bei der Bundestagswahl der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

Doch auch der bisherige Landeschef Martin Matz spekuliert ganz offen auf ein Bundestagsmandat. Der weithin unbekannte 32jährige erhofft sich von einem Platz auf der Bonner Hinterbank einen größeren Bekanntheitsgrad, strebt er im Falle seiner Wiederwahl doch die Spitzenkandidatur für die Berliner Abgeordnetenhauswahl 1999 an.

Nicht an einem Sitz im Bundestag ist hingegen Alexander von Stahl interessiert. Der 58jährige will sich ganz auf den Parteivorsitz konzentrieren. Gegenüber der jungen freiheit sagte er mit Blick auf den Parteitag und seine Kandidatur: "Ich bin verhalten optimistisch."


 
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