© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/98  16. Januar 1998

 
 
Geheimdienste: Der Schriftsteller Ota Filip soll Agent gewesen sein
"Der lachende Barbar"
von Milos Herold

Jürgen Martin Möller, tätig in der Reaktion Zeitgeschichte des Bayerischen Rundfunks, hat mit seinem Dokumentarfilm "Der lachende Barbar" das schier Undenkbare bewirkt: Ota Filip, Journalist, Publizist und unter Umständen Dissident im Exil, tschechischer Schriftsteller in Deutschland oder deutschschreibender Autor aus Böhmen, stolpert über seine eigene Vergangenheit und gerät in Erklärungsnot.

An Zeichen, daß der seit 1974 in Bayern lebende Filip wissentlich und willentlich mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit StB zusammengearbeitet hat – und nicht unter Druck, wie er in einem gequälten Interview im Spiegel am Montag dieser Woche weismachen will – mangelte es freilich nicht. So wurde in den Rehabilitationsverfahren der tschechischen Gerichte in den Jahren 1990 bis 1992 schwarz auf weiß festgehalten, daß die "Fahnenfluchtgeschichte" von 1952, aufgrund derer sieben Kameraden Filips, die damals ihren Wehrdienst bei einer unbewaffneten Bautruppe "PTP", einem Sammelbecken für unzuverlässige Elemente, ableisteten und als Sträflinge in Uranwerken endeten, weitgehend von Ota Filip inszeniert wurde. Die unmißverständliche gerichtliche Feststellung, daß ohne konstante Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst auch ein weiteres Lebensschicksal von Filip, samt seiner legalen Ausreise nach Westen, nicht denkbar gewesen wäre, ging in der selbstgewählten Erinnerungsunwilligkeit der tschechischen Gesellschaft unter.

 

Seine Fahnenflucht 1952 war weitgehend inszeniert

Aber auch deutsche Journalisten und Intellektuelle, die in beinahe jedem tschechischen Publizisten einen die Wahrheit liebenden Recken und Dissidenten erblick(t)en, übersahen geflissentlich die Warnsignale. So konnte Ota Filip in der Frankfurter Allgemeinen, von Johann Georg Reißmüller protegiert, im Laufe der Zeit zu einem Ad hoc-Berichterstatter und "Fachmann" für böhmische Angelegenheiten avancieren.

Interessierten Beobachtern entging zwar eine dubiose Unbefangenheit nicht, mit der sich Filip jeweils der tendenziellen Ausrichtung so unterschiedlicher Presseorgane wie den postkommunistischen Blättern in der Tschechischen Republik sowie der Zeit und FAZ in Deutschland anzupassen wußte; man sah jedoch in der Regel darüber hinweg oder konnte darin, wie zuletzt Michael Frank in der Süddeutschen Zeitung, sogar amüsiert "die Eleganz" des jeweils passenden Zungenschlages sehen.

Möller, nach eigenen Angaben bereits irritiert nach seinem ersten persönlichen Treffen mit Filip im Dezember 1980 in München, als dieser einige Tage später mit einem vierspaltigen Artikel in der FAZ unter dem Titel "Gäste im Haus" durch eine unkorrekte Information zur Ausbürgerung von Schriftsteller Jiri Grusa beitrug, entschied danach, "ein bißchen genauer Filip’sche Texte zu lesen". Seine Irritation wuchs, weil er zunehmend das Gefühl hatte, Filip nehme es mit den Fakten nicht so genau. Möller begann die Bücher von Filip zu lesen und stellte eine umgekehrte Hypothese an: "Wenn einer als Journalist nicht die Tatsachen erzählt, dann schreibt er vielleicht als Schriftsteller in verkleideter Form die Wahrheit."

Fündig wurde Möller gleich in dem erstmals 1968 erschienenen Buch von Filip "Café auf dem Wege zum Friedhof", in dem der Autor bereits die Fundamente seiner Lebenslüge legte: In dem Roman hat Filip sich selber – in der Gestalt des jungen Helden Jan Havon – als einen tschechischen Jungen, der in Ostrau auf einem tschechischen Gymnasium war, beschrieben. Tatsächlich war er auf einem deutschen Gymnasium; sein Vater war Nazi-Kollaborateur und Tscheche, obwohl ihn Filip immer wieder als Deutschen darstellt; als Tscheche hatte sein Vater versucht, 1939 die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen, wurde 1945 als Kollaborateur eingesperrt, das Haus und die Konditorei in Ostrau wurden ihm weggenommen – eben das Schicksal von Deutschen, Kollaborateuren und Verrätern im Sinne von Beneschs Dekreten.

 

Seine Familie hatte die falsche Wahl getroffen

Fast zur Entschuldigung Ota Filips kann man anführen, daß er 1945 in Prag sehr verstört gewesen sein mußte; in einer Situation, in der es jedem sehr schlecht ging, der nur in der Nähe einer deutschen Beziehung gerückt war. Aus der Frustration, einer Familie anzugehören, die historisch und politisch die falsche Wahl getroffen hat, hat Filip ebenfalls falsche Konsequenzen gezogen und sich sehr dezidiert auf die neuen politischen Verhältnisse eingestellt, wie es in der Filmdokumentation säuberlich aufgrund der Aussagen von Betroffenen und der Akten, ohne einen einzigen eigenen Satz oder Kommentar, dargestellt wurde: freiwillige Verpflichtung Ota Filip beim Nachrichtendienst aus eigener Initiative und sein Denunziantentum.

Seine bisherige Strategie beruht auf hartnäckigem Leugnen, wobei er die Gerichtsklage wohlweislich meiden wird. Denn, wie Möller bemerkt: "Wir hatten eine Maschinenabschrift eines Vermerks über Verpflichtungserklärung, nach Aktenlage eigenhändig formuliert und eigenhändig unterschrieben und wir haben auf Umwegen die Evidenz aus den jeweiligen Archiven und die Bestätigung eines leitenden Herren das diese Unterlagen so vorliegen. Und wenn er so dumm oder so wütend wäre über unsere Behauptungen, daß er uns deswegen verklagen würde, dann könnten wir als Beklagte den Wahrheitsbeweis dafür antreten; denn dann müssen die tschechischen Archive eine Auskunft darüber geben, ob diese handschriftliche Verpflichtungserklärung usw. den Tatsachen entspricht oder nicht. Wenn er es in Zweifel zieht, dann soll er uns verklagen und dann werden wir sehen."


 
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