© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   06/98  30. Januar 1998

 
 
Der Papst: auf der "Zuckerinsel": Unergiebiger Politpoker des Máximo Líder Castro
Kuba hat sehr wenig Katholisches
von Annegret Reelitz/M. Schmidt

Alle Welt glaubt, der Papst besuche ein katholisches Land, und
alle irren sich. Diese Insel war nie katholisch und wird es auch nie sein", erklärte Héctor Pérez, ein evangelischer Seminarist, vor der Ankunft Johannes Pauls II. auf der "Zuckerinsel" am 21. Januar.

Nach dem mehrtägigen Papstbesuch im kommunistischen Reich des mittlerweile fast vier Jahrzehnte regierenden "Máximo Líder" Fidel Castro bekam man aus den Medien überwiegend ein anderes Bild vermittelt. Insbesondere bleibt der Eindruck einer riesigen jubelnden Menschenmenge: Am Donnerstag vergangener Woche versammelten sich 100.000 "begeisterte" Kubaner, als der Papst in Santa Clara, der Heimatstadt Che Guevaras, eine Messe las. – Anläßlich der Überführung der Gebeine des Revolutionshelden im Oktober 1997 waren hier nur 30.000 zusammengekommen.

Wie wenig allerdings die nackten Zahlen aussagen, deutete der Sonderbeauftragte Johannes Pauls II. für die Kubareise an, als er die Zusicherung von Außenminister Robaina, daß "alle Massen, die wollen", zu den Gottesdiensten kommen könnten, mit der Frage kommentierte: "Welche Massen, Ihre oder unsere?" – Tatsächlich dürften sich unter der großen Zahl der Zuhörer des Papstes neben gläubigen Kubanern viele atheistische Anhänger Castros, Spitzel und vor allem Neugierige befunden haben.

Einer neueren Umfrage zufolge glauben 82 Prozent der etwa 11 Millionen Kubaner an eine "übernatürliche Kraft"; ferner gibt es rund 4,5 Millionen getaufte Katholiken. Und natürlich sind knapp 40 Jahre unter der Herrschaft der atheistischen Lehren von Marx und Lenin nicht spurlos an der Bevölkerung vorbeigegangen. Auch Fidel Castro war einst ein Katholik, so erzählt man es sich. Ein Jesuitenschüler sogar, der dann jedoch zu afro-kubanischen Kulten überwechselte und in den 70er Jahren während einer Afrika-Reise ein "Babalao" wurde. Diesen Titel tragen die Priester des Kults der "Santería", dem schätzungsweise die Hälfte der Kubaner mehr oder weniger eng verbunden sind. Als "Babalao" habe Castro, so wird in der Bevölkerung manchmal gemutmaßt, alle Geheimnisse erlernt, um bis auf den heutigen Tag politisch überleben zu können.

So ganz scheint sich der Diktator selbst der Macht des Kults allerdings nicht sicher zu sein, denn aus welchem anderen Grund als realpolitischem Kalkül sollte seine im November 1996 ausgesproche Einladung an den "Heiligen Vater" sonst ergangen sein? – Eitelkeit mag auch eine Rolle gespielt haben, aber der Máximo Líder ist sicherlich Realpolitiker genug, um sich von solcherart menschlichen Schwächen nicht in seinen Handlungen bestimmen zu lassen. Worum es ihm wohl hauptsächlich ging, war die Perspektive, mit einigen kritischen Worten des Papstes zur Embargopolitik der USA gegenüber Kuba (Johannes Pauls II. ablehnende Haltung in diesem Punkt ist bekannt) die Washingtoner Vertreter einer wirtschaftlichen Öffnung zu stärken. Angesichts der massiven ökonomischen Schwierigkeiten der Insel erscheint es immer dringender, den bestimmenden Einfluß der radikalen Castro-Feinde aus dem kubanischen Exil in Florida auf die Politik des Weißen Hauses zu brechen. Die Risiken des Papstbesuchs, nämlich eine gewisse politische Aufwertung der katholischen Kirche und eventuelle systemkritische Andeutungen des als ausgesprochenen Antikommunisten bekannten Polen Karol Wojtyla, erschienen gering. Doch Johannes Paul II. tat Castro nicht den Gefallen, sich politisch instrumentalisieren zu lassen. Während seiner Messe in Santa Clara konzentrierte er sich auf die Forderung eines besseren Schutzes der Familie als "Fundament der Gesellschaft und Garant ihrer Stabilität". Die kritische Dimension seiner Predigt beschränkte sich weitgehend auf die Ablehnung der in Kuba selbstverständlich gewordenen Abtreibungen sowie die Anprangerung eines weitgehenden Werteverlusts unter der Jugend, religiöser Gleichgültigkeit, von Alkohol, Drogen, Prostitution und der Versuchung, sich "den Idolen der Konsumgesellschaft zu ergeben". Letzteres dürfte im Sinne Castros gewesen sein, zumal man es als indirekte Schelte gegen den westlichen "way of life" und dessen Ursprungsland USA sehen kann.

Alles in allem bleibt von der Papstvisite auf der einsamen roten Insel in der Karibik kaum mehr als der Hauch einer Hoffnung, daß sich in Kuba – allen Kalkulationen Castros zum Trotz – nach der ersten nicht vom Staat organisierten Massenkundgebung in der kommunistischen Ära der Insel vielleicht doch etwas ändern könnte. Kein bißchen geändert hat sich die Polemik des mittlerweile 71jährigen Máximo Líder gegen die Vereinigten Staaten und die ehemalige Kolonialmacht Spanien, die er während seiner Begrüßungsrede für Johannes Paul II. in bezug auf die Zeit des kubanischen Unabhängigkeitskrieges Ende des 19. Jahrhunderts des "Holocausts" bezichtigte.


 
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