© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   06/98  30. Januar 1998

 
 
Euro: Mit Italien ins finanzielle Desaster
Geschönte Zahlen
von Ronald Schröder

Der italienische Schatzkanzler Ciampi sieht sein Land Euro-tauglich. Schließlich nahmen, mit Ausnahme des Niederländers Gerrit Zalm (siehe JF 5/98), alle übrigen EU-Finanzminister am 19. Januar dieses Jahres die von Italien präsentierten Zahlen wohlwollend zur Kenntnis. Hinterfragt wurden sie nicht. Zwar wies Bundesfinanzminister Waigel auf das Problem der unberücksichtigt gebliebenen rund 180 Millionen Mark "Eventualverbindlichkeiten" aus früheren Haushaltsverpflichtungen hin, begnügte sich aber mit Ciampis Zusicherung, diese könnten um die Hälfte verringert werden. Das Wie blieb dieser ebenso schuldig, wie den Grund für das Außerachtlassen der verbleibenden 90 Milliarden. Durch außerordentlich kreative Haushaltsführung konnte die Regierung Prodi ein Haushaltsdefizit von 2,7 Prozent vorweisen. So wurden Ausgaben hinausgezögert, Investitionen in die Zukunft verschoben und eine Eurosteuer erhoben. Allein die Eurosteuer wurde 1997 mit 0,6 Prozent budgetwirksam! Dabei ist eine nur auf das Referenzjahr befristete Steuer kein Betrag zur langfristigen Stabilisierung der Staatsfinanzen. Zudem wurde den Italienern eine Rückzahlung der Eurosteuer zugesichert, wodurch diese Mittel nicht nur künftig auf der Einnahmeseite fehlen, sondern sogar auf der Ausgabenseite zu Buche schlagen werden. Mittlerweile sind die Italiener der Sparmaßnahmen ohnehin überdrüssig. Der Ruf nach einer großzügigeren Ausgabenpolitik wird in der Bevölkerung immer lauter. Um 0,2 Prozent drückte man das Haushaltsdefizit, indem das staatliche Devisenkontrollbüro an die Notenbank 540 Tonnen Gold "verkaufte". Wesentlich erleichtert wurde diese Transaktion dadurch, daß das Devisenkontrollbüro ebenfalls dem Notenbankchef untersteht. Vom Verkaufsgewinn schöpfte der italienische Fiskus über 4 Milliarden Mark Körperschaftssteuer ab. Gegen diese Maßnahme hat sogar das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaft (Eurostat) Vorbehalte geäußert. Es befindet sich diesbezüglich zur Zeit noch "in der Prüfung". Besonders großzügig waren die Italiener auch bei der Schätzung der "statistisch nicht erfaßten Wirtschaft", das ist im wesentlichen die Schattenwirtschaft. Italien rechnet einen Aufschlag von 18 Prozent auf das Bruttoinlandsprodukt. Dabei schlägt selbst Portugal lediglich 15 Prozent auf. Alle Buchungstricks nutzten dagegen nichts, um den Gesamtschuldenstand Italiens auch nur in die Nähe des Maastricht-verträglichen Wertes von 60 Prozent des Inlandproduktes zu drücken.

Er liegt aber nach Meinung der EU-Finanzminister mit 123 Prozent im noch tolerierbaren Bereich. Staunend erfuhr Europa, daß Italien bis zum Jahre 2010 diesen Wert erreichen wird. Voraussetzung hierfür ist nach Einschätzung der italienischen Regierung ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent. Außerdem dürften sich die derzeit extrem niedrigen Zinsen nur unwesentlich erhöhen. Bei solchen Zukunftsszenarien gemahnen die Haushaltsansätze der Bundesregierung geradezu als Muster an kaufmännischer Vorsicht. Finanzexperten rechnen mit etwa um ein Prozent steigenden Zinsen, wenn Italien am Euro teilnimmt. Das eigentlich deutlich höhere italienische Zinsniveau wird so auf die Euro-Partner übergewälzt und bringt für Rom eine deutliche Zinsentlastung. Damit wird der Euro unter Umständen tatsächlich Investitionen fördern und Arbeitsplätze schaffen – nur nicht in Deutschland. Schon gar nicht in den neuen Bundesländern, wo vielen Unternehmen selbst beim derzeitigen historischen Zinstief das Wasser bis zum Hals steht.


 
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