© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   06/98  30. Januar 1998

 
 
Wahlen an den Universitäten: Auch 1998 nichts Neues?
"Mit `68 hat das nichts zu tun"
von Manuel Ochsenreiter

"Nö, ich muß lernen…" Desinteressiert und hektisch wendet sich der Student wieder dem Kopierer zu. Nein, die Frage lautete nicht etwa, ob er Lust hätte, noch ein Bierchen zu trinken oder mit zum Sport zu kommen. Es war die Frage, ob er denn bei den anstehenden Wahlen zum Studentenparlament wählen würde.

Im Frühjahr ´98 ist es wieder so weit. An vielen Universitäten wurde schon gewählt, vielen steht es noch bevor. Unzählige Gruppen, darunter größtenteils linke, treten wieder zum Wettkampf um die Sitze an. Gleichzeitig stößt das Ereignis bei der Mehrheit der Studenten auf Desinteresse. Astronomisch hohe Nichtwählerquoten zwischen 80 und 90 Prozent sind die Regel. Eine Situation, die nicht überrascht, schaut man sich die kandidierenden Gruppen mal näher an. Linke, fast ausschließlich allgemeinpolitisch orientierte Organisationen, brave, zwar hochschulpolitisch kompetente, aber dennoch völlig langweilige Grüppchen wie zum Beispiel der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Darüber hinaus kandidieren noch zahlreiche Gag- und Nonsenslisten.

Gewohnheitsgemäß gewinnen seit den Studentenrevolten 1968 die linken Kaderlisten die Wahlen. Nicht weil sie die breite Mehrheit hinter sich hätten, sondern weil sie eine "kleine radikale Minderheit", wie sie sich selbst bezeichnen, aktiv unterstützt. Während also die große Masse der Studenten mehr oder minder fleißig studiert, entscheidet ein radikaler Bruchteil über die Verwendung immenser Summen, die dann zumeist in naheliegende, studentenferne Projekte fließen. An der Berliner Humboldt-Universität entscheidet das Studentenparlament 1998 über 1.085.900 Mark, davon sind 600.000 Mark Beiträge der Studenten. Ausgaben wie zum Beispiel eine Reise zum "Intergalaktischen Kongreß (Internationalismusreferat)" für 2.600 Mark, und die Finanzierung von AntiFa-Diskussionen über "türkischen Nationalismus" für 1.500 sowie die Beteiligung am Aufbau eines Stadtteilladens "FelS" (Für eine linke Strömung) stehen beispielsweise auf der Ausgabenliste. Klientelpolitik ganz wie die Großen. Die bürgerlichen Listen kommen meist brav und unattraktiv daher; wo die Linken mit Parolen und radikalen Plakaten reizen, antwortet die Gegenseite mit langweiligen Bleiwüsten ohne Elan und Pfiff. Nicht mal ihre ureigene Klientel, ehrgeizige Studenten mit dem Blick auf ihr Studium statt auf Nicargua und Jäger 90, können sie mit ihrem lahmen Auftreten begeistern. Die, wie eingangs erwähnt, widmen sich lieber ihrem Studium. Dem RCDS der Humboldt-Uni beispielsweise gelang es bei den letzten Wahlen lediglich, zwei Sitze von 60 zu erobern. Den Konservativen an den Universitäten geht es ähnlich wie denen in der Politik. Sie haben die Zeit verpennt, "ihre" Sache, daß heißt vernünftige Hochschulpolitik kämpferisch und couragiert zu vertreten. Vielleicht rührt das auch von ihrer Vergangenheit her. Als der RCDS noch etwas zu sagen hatte und von "Linken Listen" keine Rede war, ließen sich auch die Christdemokraten zu mancher allgemeinpolitischen Stellungnahme hinreißen. Zum Beispiel nach dem Bau der Mauer oder während der Kuba-Krise. Selbstverständlich steht dies alles in keiner Relation zu den aktuellen Zuständen. Dennoch ist die Hochschulpolitik noch immer ein Stiefkind der Konservativen. Eine seltene Ausnahme ist dabei die Hochschulorganisation der Republikaner, der "Republikanische Hochschulverband" (RHV) in Marburg. Trotz Eierwürfen läßt sich der Vorsitzende Eike Erdel, der zum zweiten Mal für den RHV ins Studentenparlament einzog nicht von seiner Linie abbringen, mittels Klagen und Verfahren dem linken AStA die Mittelverschwendung zu untersagen.

Im allgemeinen aber bietet sich rechten und konservativen Studenten kein schönes Bild. Smarte Jungpolitiker auf der einen und introvertierte Korporierte, die schon längst den Rückzug ins Private vollzogen haben, auf der anderen Seite, der Student der 90er Jahre hat wahrlich besseres zu tun, als sich mit ihnen abzugeben. Dabei gäbe es genug Positionen, auch jenseits des Hickhacks um die Aufteilung des Geldes. Die Universität als Hort der Leistungswilligen, die Notwendigkeit einer Elite, wie sie in anderen Ländern Gang und Gäbe ist, ein Engagement gegen zunehmende political correctness in den Lehrinhalten vieler Fächer. Der Muff von 30 Jahren stinkt mindestens genauso wie der von 1000. Die Stimmung für einen Umschwung scheint günstig. Themen gäbe es genug, auch Studenten, denen das linksalternative Revoluzzergehabe der "Studentenvertreter" einfach auf die Nerven geht, um konstruktiv an der Entwicklung der Hochschule mitzuwirken. "Mit ’68 hat das nichts zu tun", sagte unlängst eine demonstrierende Studentin im Fernsehen. Die Konservativen sollten dies als Chance nutzen.


 
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