© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   06/98  30. Januar 1998

 
 
Krach im "Friedenskomitee 2000": Gründungsmitglieder kritisieren Kurs der Anlehnung an Parteien
Wege jenseits der Alten Sackgassen
von Rolf Stolz

Mehr und mehr sieht die neu entstehende Deutschland-Bewegung sich mit der Frage konfrontiert, wohin in Sachen Bundestagswahl die Reise gehen soll – ob in Richtung Wahlempfehlung, in Richtung Mitwirkung bei Parteigründungsversuchen, in Richtung einer kritisch-distanzierten Parteiunabhängigkeit. So viel Übereinstimmung bereits besteht in der Unzufriedenheit mit der momentanen Globalmisere der deutschen staatlichen Politik und in der Empörung über die Miserabilität der staatstragenden Parteien, so weit verbreitet die Sehnsucht nach einer neuen Kraft ist, so unzureichend sind viele Analysen, so begrenzt ist bisher der Konsens in der alten Frage "Was tun?". Auch im "Friedenskomitee 2000" gibt es dazu Diskussions- und Klärungsbedarf.

Ein Streitpunkt ist, wie das Friedenskomitee 2000 sich verhalten soll gegenüber der real existierenden Rechten. Ich gehe davon aus, daß ein Neues Denken gegenwärtig weder von links noch von rechts, sondern aus einer Dissidentia kommt, die weder mit der alten Linken noch mit der alten Rechten etwas zu tun hat und zu tun haben will – wobei man nicht verschweigen sollte, daß sowohl die vergreiste "Neue Linke" der allzuoft in Unehren ergrauten "68er" als auch die angestaubte "Neue Rechte" der "89er" inzwischen ganz schön alt, abgekämpft, zahn- und ideenlos ausschauen. Ich will nicht verschweigen, daß in meiner Sicht die Rechte in Deutschland spätestens seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts zu wenig volksverbunden, zu wenig demokratisch und zu wenig sozial bewußt war und dies auch weiterhin ist. Die deutsche Rechte hatte und hat ein eklatantes Kultur- und Theoriedefizit aufzuweisen, an dem auch die wenigen Lichtblicke und (wie immer nicht ganz schattenfreien) Lichtgestalten – Oswald Spengler und Stefan George etwa, Carl Schmitt und Ernst Jünger – nichts zu ändern vermochten.

Alle oder nahezu alle, die die Deutschland-Bewegung mittragen, sind sich darin einig, daß eine wahrhaft nationale Partei weder Honoratiorenpartei noch Wahlmaschine, weder Hilfstruppe der Mächtigen und Reichen noch Feigenblatt des Establishments sein darf, daß die zugespitzte politische und soziale Krise eine neue, die Not des Volkes überwindende Kraft erfordert. Strittig ist aber, ob sich die nationalbewußten Kräfte auf die Unterstützung einer einzigen Partei verpflichten sollten – womöglich der bei Wahlen erfolgreichsten. Wenn die Deutschland-Bewegung sich selbst ernst nimmt als politische Alternative, dann kann sie sich nicht einer der für das momentane Elend des nationalen Lagers verantwortlichen rechten Altparteien nur deshalb unterordnen, weil diese als angeblich "kleineres Übel" oder als Einäugiger, der zeitweise zum König der Blinden aufsteigt, mit im übrigen durchaus fraglichen Aussichten auf Einlösung solcher Versprechen Bundestagsmandate und Wahlgelder offeriert. Wenn die Deutschland-Bewegung nicht den Ausverkauf ihrer menschlichen und politischen Werte veranstalten will, dann kann sie ihr Schicksal weder an großbürgerlich-professorale Debattierclubs ketten noch sich der blinden Ressentiment-Reaktion, einer geistfernen und geistfeindlichen Emotionalität, der Verweigerung einer schonungslosen Abrechnung mit faschistischen und faschistoidem Gedankengut ausliefern.

Gerade das Abwehren bewußter Aufarbeitung der deutschen Geschichte (wie auch der eigenen Partei- bzw. Sektenentwicklung!), gerade das Spekulieren auf Schlußstrich-Verdrängungssehnsüchte und auf Volksgemeinschaftsnostalgie sind es, die den Grundcharakter und die Hauptströmung sowohl der Republikaner als auch erst recht der DVU und NPD ausmachen. Gerade angesichts der Haß- und Verleumdungskampagnen der "Antifa", gerade angesichts des antideutschen Propagandarummels à la Wehrmachtsausstellung ist es von großer Bedeutung, daß die Deutschland-Bewegung sich nicht gesellschaftlich isoliert, daß sie den antifaschistischen und antitotalitären Grundkonsens der Bevölkerungsmehrheit mitträgt und sich nicht aufspalten läßt am Randproblem einer Wahlempfehlung. Wenn selbst SPD-Wähler im Hamburger Wahlkampf öffentlich forderten, "die Ausländer in Flugzeugen überm Ozean aussteigen zu lassen", dann offenbart ein solcher mörderischer Ungeist, welche moralische Verkommenheit und Verblendung unter manchen herrscht, die nichts gelernt und alles allzubald vergessen haben. Man kann es nicht völlig ausschließen, aus dieser Richtung einen Beifall zu bekommen, der auf falschen Voraussetzungen beruht und zu falschen Schlußfolgerungen führt. Aber man muß eben in einem solchen Fall für Klarheit sorgen, damit man nicht gleichgesetzt wird mit jener Sorte von unerbetenen Anhängern, die das beste Anliegen diskreditieren können.

Unzweifelhaft sind – sieht man von bestimmten eher zum Sektor der Psychiatrie und der Allgemeinkriminalität zu rechnenden Sekten wie der Europäischen Arbeiterpartei (EAP), Scientology usw. ab – in allen rechten, linken und zwischen den Fronten stehenden Vereinigungen unseres Landes etliche Menschen zu finden, die guten Willens, lernfähig und zumindest ihrem Gefühl nach demokratisch eingestellt sind. Aber nicht zuletzt um dieser Menschen willen ist es unerläßlich, daß sich die Deutschland-Bewegung im öffentlichen Bewußtsein unverwechselbar von der Altlast der alten Parteien und Frontorganisationen abhebt. Dies schließt weder Gespräche mit Republikanern noch das Mitdiskutieren bei deren Veranstaltungen aus, aber Wahlempfehlungen und moralisch-politische Begünstigung. Nur so kann man sich gegen die begierigen Vereinnahmungsversuche zur Wehr setzen.

Wer auf eine der zwischen dem Neufaschismus der Kahlkopf-Hooligans und dem honorigen Konservativismus der Brunnerschen "Freien Bürger" angesiedelten Parteien setzt, wer sich von ihnen oder ihrer Vereinigung zu einem Rechtsblock das Heil erhofft, der soll es tun – aber ohne die Deutschland-Bewegung. Der Weg der Deutschland-Bewegung ist entweder schon zu Ende und hat schnurstracks in die Sackgasse des Parteienunwesens und in den nationalistischen Sumpf geführt. Oder er beginnt gerade erst: als Alternative zu allen bestehenden Organisationen, als Gegenpol zu der hoffnungslosen Zerstrittenheit des rechten Lagers und der ähnlich verheerenden Einflußlosigkeit der nationalen Linken, als eine konsequent demokratische und flügelübergreifende Bewegung, die auch sich selbst demokratisiert und die momentane Anfangsphase entschlossen überwindet, in der weder die Zersplitterung des Kleingruppen-Aktivismus noch ein großes Gewicht der Zentralbüro-Aktivitäten vermeidbar sind.

Man wird damit leben müssen, daß viele Mitkämpfer der Deutschland-Bewegung gleichzeitig Mitglieder anderer Parteien sind und sich quer durch das politische Spektrum – von der PDS und den Grünen bis hin zur CSU und kleinen rechtskonservativen Parteien – in gewisse Abhängigkeiten begeben haben – zumindest solange, bis die Karten neu gemischt werden. Aber man muß diese alten Loyalitäten auflösen und überflüssig machen, man muß die Einheit innerlich freier und unabhängiger Patrioten stärken und an die erste Stelle setzen.

Die historische Aufgabe der Deutschland-Bewegung kann es niemals sein, zur Wahl eines politischen Leichnams, sprich einer nationalen Splitterpartei oder einer nationalliberalen Neo-FDP aufzurufen, die im günstigsten Falle und bei bestem Willen, wie dies die Parlamentsfraktionen der Republikaner vorgeführt haben, als exotische parlamentarische Randerscheinung und als Feigenblatt des Bestehenden nur Zwergenaufstände und Stürme im Wasserglas inszenieren können. Wenn die Deutschland-Bewegung zur Wählerinitiative und zum Wurmfortsatz der Republikaner würde, dann hätte sie einen allzu hohen Preis entrichtet: den Verzicht auf ihre Zukunft, auf ihr Erstgeburtsrecht, auf die Perspektive, zur natürlichen Heimat der anständigen und vernünftigen Deutschen zu werden, also aller, die weder Nationalisten noch Selbsthasser sind. Für das Linsengericht einiger Parlamentsmandate und für einige Wahlkampfgelder hätten wir dann jene Bewegung zerstört, aus der heraus sich eine neue Konstellation in der Gesellschaft, in der Politik, in den Parlamenten formieren könnte – mit genügend Ansehen und genügend Macht, um die deutsche Nation vor der drohenden Vernichtung zu retten.


 
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