© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/98  06. Februar 1998

 
 
Pankraz, Thoma / Kogel und die Sorgen der Werbebranche

Triumph und Beklemmung bei den privat-kommerziellen Fernsehsendern. Einerseits haben sie im letzten Jahr Werbeeinnahmen realisieren können wie nie zuvor, andererseits sind sie von den Öffentlich-Rechtlichen, was die "Quoten", also die Anzahl der Einschaltungen betrifft, inzwischen klar überholt worden.

Ob große Sportereignisse oder spektakuläre Krimis, ob "Familienserien", Spielfilme oder Volksmusik – überall liegen ARD und ZDF mit ihren Sachen vorn; sogar bei Juxsendungen, den sogenannten "Comedys", rangieren etwa "Versteckte Kamera" vom ZDF oder die Scherzkiste des Altkomikers Hallervorden in der ARD immer noch vor Zumutungen wie RTLs "Sieben Tage, sieben Köpfe". Das Sieger-Image der Kommerzhäuptlinge Thoma und Kogel schwindet rapide.

Pankraz registriert’s mit Genugtuung. An sich waren die Privaten ja einst begrüßt worden als willkommene Auffächerung und Vervollkommnung des televisionären Angebots, man versprach sich von ihnen mehr Spaß und schönere Unterhaltung, als die Öffentlich-Rechtlichen bieten konnten oder wollten, nicht zuletzt auch gerechtere, objektivere Darstellung der Politik, weniger PC, weniger Bonner Arschkriecherei . Doch nichts davon ist eingetroffen.

Was zum Beispiel die Politik betrifft, so erwiesen sich die Intentionen der Privaten, wenn überhaupt vorhanden, als ödester, grotesk vergröberter Abklatsch dessen, was die Öffentlich-Rechtlichen boten. Es passierte keine Auffächerung, sondern eine noch schlimmere Einengung. Der aufgedonnerten Ankermann-Pose, die die privaten Politmoderatoren an den Tag legten, entsprach ein Nichts an politischer Botschaft. "Enthüllt" wurde immer nur, was bei jeder einigermaßen guten Zeitung längst im Archiv abgelegt worden war.

In Sachen Unterhaltung "komplettierten" die Privaten das Angebot durch die Einführung einer dicken, unappetitlichen Masse von "Talk"- und "Gameshows", gegen die sich noch die biedersten Skatrunden-Gespräche wie literarische Spitzenleistungen ausnehmen. Es geht in diesen Sendungen faktisch nur noch um Selbstprostitution, bzw. öffentliche Bloßstellung oder Lächerlichmachung der Beteiligten: ein trostloser Bilderreigen aus Bettnässern und gestörten Beziehungskisten, der mit Vorliebe am laufenden Band im Nachmittagsprogramm plaziert wird, wenn die Rentnerinnen und die "Kids" zusehen.

Im Abendprogramm folgt dann (gelegentlich unterbrochen durch Äktschn-Filme, in denen Autos den Hang hinunterfallen oder Scheunen in Flammen aufgehen) eine Kette von "Comedys", deren Witzniveau das von Kritzeleien in Bahnhofstoiletten spielend unterbietet. Und nur ganz manchmal, völlig unerwartet wie ein Gespenst aus dem Off-Off, raunt plötzlich die Stimme von Alexander Kluge dazwischen, und man sieht dazu irgendetwas Schwarzweißes, was offenbar als "Kultur" gemeint ist und den "Adolf Hitler in uns allen" und seine mnemotechnische Überwindung anpeilt.

Man fragt sich bei alledem, was die Werbebranche veranlaßt, so viel teures Geld in dieses Unternehmen einzuschießen. Natürlich trifft es zu: Verglichen mit dem "Programm" von RTL oder SAT 1 nehmen sich die Spots und Werbeblöcke, die dazwischengeschaltet werden, außerordentlich kultiviert, witzig und intellektuell aus, eine wahre geistige Erholung. Die angepriesenen Produkte werden zweifellos aufgewertet.

Doch die Zuschauerzahlen nehmen kontinuierlich ab, professionelles Stammpublikum geht, wie gesagt, zu den Öffentlich-Rechtlichen über, und immer mehr Leute lassen den Flimmerkasten gänzlich abgeschaltet oder benutzen sein Flimmern, wie in früheren Zeiten das Gedudel des Radios, als Hintergrundrauschen, als Sicht- und Tonvorhang gegen das unerwünschte Eindringen von Außenreizen, als eine Art Fliegenfenster. Ist das wirklich das richtige Medium für einen Werbebetrieb, der doch wahrnehmbare, meßbare Wirkung erzielen möchte?

 

Die Strategen der Branche haben die Kalamität selbstverständlich erkannt. Zynisch und erfolgsorientiert, wie sie nun einmal sind, versuchen sie, ihre Werbezeiten auf das Fernsehverhalten besonders leicht zu beeinflussender Bevölkerungsteile abzustimmen, auf die "Kids" beispielsweise, die "Konsumenten von morgen", oder auf die "Erfolgsmenschen zwischen siebzehn und neunundvierzig" mit ihren "gehobenen, expandierenden Ansprüchen". Kids und Erfolgsmenschen, so kalkulieren sie, sehen sich den Äktschn- und Gameshow-Scheiß lieber an als Arbeitslose oder blasierte Vorruheständler jenseits der neunundvierzig. Welcher Soziologe hat ihnen solchen Unsinn eigentlich eingeredet?

In Wahrheit wandern gerade reifere Kids und jüngere Erfolgsmenschen aus dem Privatfernsehen ab, reduzieren ihren Telebedarf auf das Ansehen der Spiele der Politik bei den Öffentlich-Rechtlichen und steigen im übrigen in allerneueste Medien ein, ins Internet und in andere, speziell innerbetriebliche Computer-Netzwerke, kaufen sich, statt bei RTL oder SAT 1 einzuschalten, CDs mit allen möglichen ganz auf ihre Person zugeschnittenen Unterhaltungs- und Fortbildungsprogrammen.

Einen letzten Trumpf glauben die Privaten noch im Ärmel zu haben: die großen Sportereignisse, Olympia, Champions League, Fußball überhaupt, den sich alle ansehen, Ruheständler wie Kids, Erfolgsmenschen wie Arbeitslose. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, daß es den Privaten nicht gelingen wird, diese Ereignisse für sich allein zu reservieren oder gar exklusiv ins Pay-TV abzuzweigen.

Ihre Zukunft sieht nicht rosig aus. Ihr Rekord an Werbeeinnahmen wird wohl so bald nicht wieder erreicht werden, es sei denn, sie reißen sich ganz energisch am Riemen, schütteln sich die Banalität, die Unvornehmheit und politische Feigheit aus den Kleidern und von der Seele. Ist so etwas einem


 
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