© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/98  06. Februar 1998

 
 
"Starship Troopers" erobern das Weltall: Die Letzte Seite bei der mobilen Infanterie
Galaktisches Stahlgewitter
von Manuel Ochsenreiter

Peinlich, gefährlich, ärgerlich… "Das kann nicht okay sein", urteilt Spiegel-Mann Helmut Krausser. Um was es geht? Um "junge Raumfahrer, die irgendwo im All gegen Rieseninsekten kämpfen." Der in Deutschland neu angelaufene Film "Starship Troopers" von Paul Verhoeven erhitzt die Gemüter. Eigentlich nur eine Verfilmung eines mittelmäßigen Science Fiction Romans aus den späten 50er Jahren, filmisch jedoch in gewaltigen Bildern und martialischen Szenarien umgesetzt. Die große Angst des Spiegel-Rezensenten: Du und ich könnten den Film mißverstehen und "Faschismus
light" plötzlich geil finden.

Grund genug für die freiwillige Selbstkontrolle der Letzten Seite, sich dem ultimativen Gehirnwäschetest zu unterziehen und eine 23 Uhr-Vorstellung des Streifens zu besuchen. Nun gut, 80 Prozent der Zuschauer sind männlichen Geschlechts, trinken Bier aus der Dose und tragen einen feschen Bürstenschnitt. Eigentlich das gleiche Publikum wie bei einem mittelmäßigen Antikriegsfilm. Ihre Freundinnen, sofern sie überhaupt dabei sind, tragen fingerdick Makeup und kauen Kaugummi. Ihnen wird die erste Hürde zum Kinosaal zum Verhängnis. "Ab 18 – bitte Ihre Ausweise!" piepst die junge Kontrolleurin am Eingang. Schade, die meisten Mädels müssen umkehren. Die Typen gehen trotzdem rein. Ein Zuschauer quittiert die fast preußisch-akkurate Genauigkeit der Kontrolleurin mit einem markigen "Ordentlich, junge Frau!" Gelächter.

Die Story des Streifens ist kurz erzählt. In ferner Zukunft wird die Erde von einer Militärregierung beherrscht. Es gibt keine rassischen, sozialen oder religiösen Unterschiede. Einzig und allein in Bürger und Zivilisten ist die Gesellschaft aufgeteilt. Bürger kann nur werden, wer freiwillig Militärdienst leistet. Es gibt nur noch einen Feind: die "Bugs", riesige fiese Killer-Aliens, die aussehen wie Insekten. Sie schicken ab und zu von ihrem Heimatplaneten einen Kometen zur Erde, um der Menschheit zu zeigen, wo der Hammer hängt. Und die Menschheit wiederum wehrt sich, indem sie getreu einem alten Westernsprichwort die "Bugs" bekämpft: "Nur ein toter Bug ist ein guter Bug!" Drei Freunde gehen nach ihrem Schulabschluß alle zur Armee. Einer zur "Military Intelligence", dem Forschungs- und Geheimdienst, eine zur Flotte als Pilotin und der letzte, Johnny Rico, zur mobilen Infantrie, quasi den Panzergrenadieren. Die Wege der drei kreuzen sich während des ganzen Filmes bis zum Schluß, als der "Brain-Bug", das Chef-Insekt, gefangen wird. Ein Film gänzlich ohne Moralin, herrlich einfach gestrickt, mit einem klaren Gut und einem noch klareren Böse. Die Soldaten sind knorke Jungs und Mädels, denen ihr Perlweiß-Lächeln höchstens beim Anblick von hunderten von Bugs entschwindet, Soldatentum ist cool, Pflichterfüllung macht Spaß, und Verweigerer sind Feiglinge. Der Film ist eine einzige, großartige Durchhalteparole mit integriertem Siegerlächeln. Wo in Raumschiff Enterprise stundenlang diskutiert wird und "Grußbotschaften auf allen Frequenzen" gesendet werden, ballern die Elite-Soldaten mit Totenkopf-Tattoo und Sig-Runen auf den Schultern mit Atomgranaten auf die Aliens.

Wo sich sensible Zeit-Leser ihre klugen Köpfe über die Wirkung dieser "problematischen Bilder" auf den mündigen Normal-Bürger zermartern, lacht sich die breite Masse über die zynischen Gags schlapp. Selbst das Erscheinen der Gestapo-ähnlichen "Militäry Intelligence" wird vom ausgelassenen Publikum mit Applaus quittiert.

Keine Frage: der Film ist nichts für zarte Gemüter. In den galaktischen Stahlgewittern und den superharten Ausbildungsszenen – jeder US-Marine-Film ist harmlos dagegen – spritzen literweise Blut und Alienschleim, und Gliedmaßen fliegen durch das Bild.

Verhoeven, der sich ausgiebig der Riefenstahl-Ästhetik bediente, erschuf mit seinem 100-Millionen-Dollar-Budget trickreiche galaktische Mammutschlachten, in denen junge, herzensnaive Soldaten ohne schlechtes Gewissen die Heroen sind. Der Film endet, wie er begann: mit einem knackigen Werbespot für die Streitkräfte. Alles in allem ein zutiefst empfehlenswertes Filmerlebnis. Sollen die anderen Rezensenten doch in Schlingensiefs "100 Tage in Bottrop" gehen…


 
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