© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/98  06. Februar 1998

 
 
Landtagswahlen Niedersachsen: Impressionen aus dem Wahlkampf
Ziele, Hoffnungen, Träume
von Volker König

An einem Wahlsieg der niedersächsischen SPD bei der Landtagswahl am 1. März zweifeln nicht einmal ihre Gegner ernsthaft. Die einzig spannende Frage ist, ob es in Hannover zu einer rot-grünen Zwangsehe oder erneut zu einer sozialdemokratischen Alleinherrschaft kommen wird – und wann bei letzterem Wahlresultat Gerhard Schröder seinen Marsch auf Bonn starten wird.

Klein und fein präsentieren sich neben dem Polit-Koloß die vielfältigen Konkurrenten, die an dem Denkmalssockel des sozialdemokratischen Landesvaters rütteln oder wenigstens kratzen wollen. Größte der kleineren Parteien im einstmals stockkonservativen Agrarland Niedersachsen ist die CDU. Deren Aufgabe sei es diesmal, "die Lufthoheit über den Stammtischen wiederzugewinnen", erklärte Wilfried Hasselmann, graue Eminenz des rechten Parteiflügels, während der CDU-Auftaktveranstaltung mit Helmut Kohl in Hannover. Ihr Spitzenkandidat Christian Wulff, der sich in den vergangenen vier Jahren als Oppositionsführer im Landtag von Hannover redlich geschlagen hat, fordert mit harschen Tönen den Amtsinhaber heraus. Mit Versen wie "Wirtschaft öder, Schüler blöder, Diebe schnöder – Gerhard Schröder" oder "Lügen haben kurze Beine, kürzer sind dem Schröder seine" macht sich Wulff einen Reim auf die SPD. Und er kündigt an, daß es "die größte Mobilisierungskampagne bei einer Landtagswahl" geben werde.

Dabei folgt der 38jährige Rechtsanwalt aus Osnabrück durchaus der vom CDU-Altvorderen Hasselmann ausgegebenen Losung und setzt auf Themen wie innere Sicherheit und Ausländerpolitik. In Wahlversammlungen erklärt Wulff, es sei für Niedersachsen beschämend, daß seit dem Regierungsantritt Schröders die Zahl der Straftaten von 520.000 auf 580.000 gestiegen sei. Die Kriminalitätsrate in Niedersachsen läge um 40 Prozent höher als in Bayern, dafür sei die Aufklärungsquote rund 30 Prozent niedriger als im Freistaat.

Bei solchen markigen Feststellungen kommt Beifall auf in den Wirtshaussälen in der Lüneburger Heide. Aber es bleibt die Frage, ob das ernst gemeint ist oder nur ein Placebo für die aufgewühlte und beunruhigte Bürgerseele.

 

Grüne stellen Forderungen für Regierungsbeteiligung

Am Einzug der Grünen in den Landtag besteht kein Zweifel. Sie hatten vor vier Jahren 7,4 Prozent errungen und schafften 1996 bei den Kommunalwahlen mit 11,7 Prozent ihr bisheriges Rekordergebnis in Niedersachsen. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Rebecca Harms, hat sich für eine rot-grüne Koalition im Lande ausgesprochen und angedeutet, daß der Preis für eine Regierungsbeteiligung zwei Ressorts sein müßten, darunter das Umweltministerium. Allerdings trennen gerade in der Umweltpolitik Schröder und die Grünen Welten. So sei der Ausstieg aus der Atomkraft eine unabdingbare Forderung, erklärte die 41jährige grüne Spitzenkandidatin im Land der Castor-Transporte an die Adresse des Ministerpräsidenten. Schröders Energiekonsens könne nicht akzeptiert werden.

Für die Liberalen wird die Landtagswahl eine Zitterpartie. 1994 scheiterten sie mit 4,4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde, und auch dieses Mal scheint es wieder knapp zu werden. Daß der FDP-Spitzenkandidat Michael Goldmann, der die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gerückt hat, kaum ein Fettnäpfchen ausläßt, erleichtert den Liberalen ihre Aufgabe kaum. Vor vier Wochen stellte Goldmann ein neues Plakat vor, auf dem Gerhard Schröder und er abgebildet sind. Darüber ist zu lesen: "Er geht mit Köpf – Er kommt mit Köpfchen". Die Anspielung auf Schröders neue Ehefrau Doris Köpf stieß selbst bei Parteifreunden auf heftige Kritik. Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff bezeichnete die Plakataktion als "geschmacklos".

Neben dem Wiedereinzug in den Landtag liebäugelt die FDP mit der Rolle, Juniorpartner einer Koalitionsregierung zu werden. Dazu aber müßte die Union ein Ergebnis deutlich über 40 Prozent erringen – woran niemand glaubt. Vor vier Jahren kam die CDU auf 36,4 Prozent.

 

Republikaner kämpfen um Einzug in den Landtag

Ob die Republikaner unter ihrem Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten Peter Lauer den Einzug in den Landtag schaffen werden, scheint ebenfalls fraglich. 1994 scheiterten sie mit 3,7 Prozent. In Umfragen wird die Rechtspartei mit Werten um drei Prozent gehandelt; allerdings sind solche Umfrageergebnisse mit Vorsicht zu behandeln. Jedoch dürfte das Scheitern des von den Republikanern im vergangenen Jahr unterstützten Volksbegehrens gegen die Einführung des Euro nicht gerade einen Motivationsschub an der Basis ausgelöst haben.

Auf Stimmenfang gehen die Republikaner vor allem mit Aussagen zur Sozial- und Wirtschaftspolitik. Mitverantwortlich für den Anstieg der Arbeitslosenrate in Niedersachsen von 12,8 Prozent 1996 auf 14,1 Prozent im vorigen Jahr sei der Zustrom von jährlich mehr als 200.000 arbeitssuchenden Einwanderern. "Wer Arbeitslosigkeit wirklich bekämpfen will, muß die Zuwanderung stoppen", mahnt Parteichef Rolf Schlierer. Auf ihren Plakaten werben die Republikaner, die in Niedersachsen keine Konkurrenz vom Bund Freier Bürger oder von rechtsaußen befürchten müssen, mit einfachen, handfesten Slogans zur Ausländer- und Sicherheitspolitik.

"Mit dieser deutlichen und flächendeckenden Plakatierung wollen wir die Fünf-Prozent-Hürde schaffen", erklärt Gerhard Tempel, niedersächsisches Mitglied im Bundesvorstand der Partei, auf Nachfrage der jungen freiheit das Wahlziel. Daß die Republikaner – anders als bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im September vorigen Jahres – ohne Konkurrenz im rechten Spektrum antreten, hält Tempel für einen glücklichen Umstand. "Das wird uns zum Vorteil gereichen". Für den 13. Februar planen die Republikaner zudem eine zentrale Wahlkampfkundgebung in Hannover mit ihrem Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer als Hauptredner.

 

Deutsche Partei strebt einen Achtungserfolg an

Als konservative Alternative zur CDU kandidiert landesweit erstmals seit drei Jahrzehnten wieder die Deutsche Partei(DP). Ihr Spitzenkandidat ist der ehemalige Ministerialrat Horst Meyer. Die DP rechnet sich in ihrem "Stammland" Niedersachsen, in dem sie mit Heinrich Hellwege von 1955 bis 1959 sogar den Ministerpräsidenten stellte, mit ihrem auf die Ablehnung des Euro konzentrierten Wahlkampf wenigstens einen Achtungserfolg aus und wirbt an Infoständen mit Parolen wie "Die DP ist wieder da" und "Die Heimat zuerst".

Unter den "Sonstigen" sticht neben den Kommunisten von der DKP, der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP), der Partei Bilbeltreuer Christen (PBC) und einer Frauenpartei noch ein heterogenes Bündnis aus Statt Partei, Trude Unruhs Seniorenpartei "Die Grauen" und einer unabhängigen Wählergruppe hervor, das unter dem Ticket "Statt Partei/Die Unabhängigen" antritt.

Ob dessen Rechnung aufgeht, daß sich mehrere Null-Komma-Resultate zu einem respektablen Ergebnis zusammenfügen lassen, ist indes äußerst fraglich. Bleibt also abzuwarten, was an den prognostizierten drei bis fünf Prozent "Sonstigen" dran sein wird.


 
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