© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   12/98 13. März 1998

 
 
Wahlkampf: Schröder muß von Konturenlosigkeit der SPD ablenken
Ohne Opposition
von Dieter Stein

Jetzt hat die SPD ihren strahlenden Kandidaten. Gerhard Schröder, der neben Kohl allemal sportlicher, agiler und frischer wirkt, präsentiert sich als der kommende starke Mann in Deutschland. Schon in Niedersachsen hat Bodo Hombach, Schröder-Berater und Wahlkampfmanager, aus dem Ex-Juso-Revoluzzer ein postmodernes, fast schon virtuelles Produkt werden lassen: Von der Sequenz "Schröder beim frühmorgendlichen Händeschütteln vor den Werkstoren" bis zur Einstellung "Schröder beim abendlichen Biertrinken in Festzelten" – Hauptsache es entsteht der Eindruck, Schröder lasse nichts anbrennen. Die Inhalte hingegen werden auf Null reduziert.

Tatsächlich hat es die SPD bitter nötig, einen Personen-Wahlkampf nach amerikanischem Vorbild zu führen, einen Wahlkampf, der sich primär auf die Verpackung, auf die reine Botschaft des "Wechsels" konzentriert. Ansonsten hätte sie nämlich auch kaum etwas zu bieten. Sie hat im Bundestag eine Bilanz vorzuweisen, die noch hinter die Leistungen der Regierungsparteien zurückfällt. Die Sozialdemokraten stellen schließlich die stärkste Oppositionsfraktion und hätten die Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren empfindlich unter Druck setzen und Alternativen unterbreiten können.

Richtig ist sicher, daß man von der SPD kaum erwarten darf, konservative Positionen zu vertreten. Es gab aber Vorstöße einzelner Sozialdemokraten, die im Bundestag hätten umgesetzt werden können.

? Beispiel Euro: Über 60 Prozent der Bevölkerung stehen der europäischen Einheitswährung kritisch oder ablehnend gegenüber. Wer artikuliert deren Position im Bundestag? Kritische Stimmen wie die des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Henning Voscherau sind aus den Reihen der Sozialdemokraten nur selten zu vernehmen. Auch Schröder kann sich zu einer klaren Ablehnung des Euro nicht durchringen. Und von der SPD-Bundestagsfraktion ist erst recht keine Opposition zu erwarten.

? Beispiel Ausländerpolitik: Der Anteil ausländischer Straftäter liegt bei knapp 30 Prozent und somit weit über dem Anteil von Ausländern an der Gesamtbevölkerung. Ausländerkriminalität gilt vielen Bürgern als wichtiges Thema, das von allen etablierten Parteien vernachlässigt wird. Ohne von ihrem – aus konservativer Sicht zu kritisierenden – Konzept der multikulturellen Gesellschaft abzulassen, könnte sich die SPD der Ängste der Bevölkerung annehmen und die Bundesregierung auch hier unter einen Reformdruck setzen. Gerhard Schröder sagte im Vorwahlkampf, kriminelle Ausländer, die unser Gastrecht mißbrauchten, müßten "raus und zwar schnell". Was folgte, war heiße Luft. Von der SPD-Bundestagsfraktion kam keine Initiative.

So kommen die Wähler am 27. September voraussichtlich vom Regen in die Traufe.


 
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